Eigentlich hatte der Plan vorgesehen, eine Tagestour nach Zürich zu machen, da ich trotz zahlreicher Besuche in der Schweiz noch nix von Zürich gesehen habe – außer den zugegebenermaßen für Bahnfahrer exzellenten Hauptbahnhof. Nun ergab es sich aber, dass meine minimalen Kenntnisse des Schwyzerdütsch – bei dem Gekrächze ist es kein Wunder, dass sie Ricola erfunden haben – ausreichten, um zu verstehen, dass im Lauf der Woche das Wetter zunächst supersommerlich warm und dann aber total verregnet werden sollte. Beides keine guten Voraussetzungen für eine geplante Tour auf einen Berg. Also lautet der Beschluss, dass der Plan geändert werden muss.
Schlafen ist nicht anstrengend, nur unmöglich
Der Tag begann mit einem etwa dreistündigen Erdbeben. Wie ich inzwischen herausgefunden hatte, gibt es im Hotelgebäude eine Dachterrasse, dort gibt es eine Bar, und da läuft bis nachts um drei Diskomucke, dass der Bass die Wände wackeln lässt. An Schlaf war demnach nicht zu denken, und ich googelte mitten in der Nacht schon nach anderen Hotels, denn eine ganze Woche wollte ich mir das keinesfalls geben. Am Morgen beschwerte ich mich – nachdem ich mich mit Orangensaft, Kaffee und Brötchen in einen einigermaßen zivilen Zustand versetzt hatte – dann bei der Rezeption. Denen war das Problem bekannt, was die Sache nicht viel besser machte. Auf jeden Fall hieß es aber, dass unter der Woche Ruhe wäre, denn da müssen auch die Schweizer arbeiten gehen. Nun gut.
Ich erstand dann noch die Briefmarken, die ich am Vortag nicht erhalten hatte – das wird wohl das letzte Mal gewesen sein, dass ich aus der Schweiz Karten verschicke, die nehmen ja ein Porto, dafür kann man sich ’ne (kleine) Tafel Schokolade kaufen. Und dann stellte sich später raus, dass die Karten auch noch über eine Woche brauchten, um am Bestimmungsort anzukommen… Nuja, so ein berittener Bote mit Posthorn braucht eben etwas länger.

Auf jeden Fall konnte der Tag ja nun eigentlich nur noch besser werden, denn da stand nun der Besuch an einem der zwei Luzerner Hausberge auf dem Programm. Den einen Hausberg hatte ich 2011 schon einmal besucht – der Pilatus mit seinen rund 2100m. Damals standen wir dann mitten in fiesen Regenwolken herum und hatten null Aussicht. Den Fehler wollte ich nicht nochmal machen, deswegen ging es auch nicht als Pontius zu Pilatus, sondern auf den anderen Hausberg – die Rigi. Die hat „nur“ knapp 1800m, dafür aber die älteste Bergbahn Europas.
Ran an die Rigi (27.8 km, 0:32h, ↗161m, ↘104m)*
*Die Höhenunterschiede enthalten rund 100m akkumulierte Rundungsfehler. Arth-Goldau liegt etwa 50m oberhalb von Luzern, und die Bahnstrecke ist ja keine Achterbahn.
Im Plan stand nun also eine Rundtour: Zunächst einmal mit dem Zug halb um die Rigi rum bis nach Arth-Goldau, von da dann mit der Bergbahn hoch, oben ein bissl dusslig herumlaufen, mit einer anderen Bergbahn auf der anderen Seite wieder runter, und dann mit dem Schiff zurück. Da ich vor der Abfahrt des Zuges noch Zeit hatte und das Wetter vielversprechend war, marschierte ich noch ein wenig in der Gegend herum und machte ein paar Fotos.
Im Bahnhof war ordentlich Betrieb, neben den obligatorischen Touristengruppen waren auch zahlreiche Einheimische in Wanderklamotten unterwegs, die zum Sonntag das gute Wetter für einen Ausflug nutzen wollten. Entsprechend voll waren die Züge Richtung Interlaken und Engelberg, was mich aber mal so gar nicht interessierte, denn ich wollte ganz woanders hin. Gegen neun Uhr bestieg ich also einen Regionalbummelzug in Richtung Brunnen (die haben aber auch echt komische Ortsnamen in der Schweiz). Der war auch gut besucht, in der ersten Klasse ging es aber noch.
Die Fahrt selbst war dann wenig aufregend, man kurvt halt in einer engen Kurve um 270 Grad rechtsherum aus Luzern raus, durch einen längeren Tunnel und kommt dann neben der Uferpromenade wieder raus, bevor der Zug am Verkehrshaus hält. Danach geht es dann weiter am Seeufer mit Blick auf die Rigi bzw. das Rigimassiv nach Küssnacht am Rigi. Vermutlich ist der/die/das Rigi das Schweizer Äquivalent zur Frage nach dem richtigen Artikel bei Nutella.
Diese Strecke ist eine Verbindungsbahn von Luzern zur Gotthardbahn, die wiederum offiziell in Immensee beginnt. Auf besagter Gotthardbahn fuhr ich nun aber nur bis Arth-Goldau, denn dort beginnt die Arth-Rigi-Bahn, eine 150 Jahre alte Zahnradbahn, die bereits 1907 als erste normalspurige Zahnradbahn der Welt auf elektrischen Betrieb umgestellt wurde.

Da marschiert man also 150m am Bahnsteig lang, eine Treppe hoch und dann stand da auch schon der Zug bereit, der Sonntag morgens kurz vor 10 durchaus gut besucht – um nicht zu sagen voll – war. Ich fand trotzdem noch problemlos einen Sitzplatz, wäre ich ein paar Minuten später mit dem IR von Luzern angekommen, hätte ich vermutlich die ersten Kilometer stehen müssen.
Rauf auf die Rigi (8.6km, 0:54h, ↗1226m, ↘1m)
Die Fahrt begann also in gemächlichem Tempo, die Durchsagen des Zugpersonals waren hingegen nicht zu verstehen, weil die Fahrgäste in einem babelesken Sprachwirrwarr wild durcheinander quatschten. Warum müssen eigentlich immer alle die Klappe aufreißen, nur um dann Platitüden wie „guck mal, die schöne Wiese“ loszulassen?
An der ersten Zwischenstation nach zwei Kilometern wurde der Zug dann schon leerer, da besteht nämlich Anschluss an eine Seilbahn. Im weiteren Verlauf der Fahrt wurde es dann nur noch wenig leerer, dafür wurde es merklich kühler. Weiter ging es also in gemächlichem Tempo von rund 20 km/h bis zur Endstation etwa 40m unter dem Berggipfel.
Wie sie sehen… (5.2km, 2:37h, ↗58m, ↘386m)
So stand ich also kurz nach halb elf Uhr morgens an der Bergstation, um mich herum unzählige andere Touristen, die die gleiche Idee hatten wie ich. Kann man nix machen. Und sich mal eben irgendwo in die Büsche schlagen um in Ruhe wandern zu können kann man da auch vergessen, eildieweil es auf der Höhe keinerlei Büsche gibt.
Man hat nun die Wahl zwischen zwei Wegen zum Gipfel, ein kurzer steiler Weg (150m) und ein längerer nicht ganz so steiler Weg (250m). Egal welchen Weg man wählt, man folgt einem Asphaltband in Richtung Antennenturm, der längere Weg holt nur etwas weiter aus. Oben angekommen war mir dann auch langsam warm genug geworden um die Jacke im Rucksack zu verstauen, Lichtschutzfaktor aufzutragen und den Blick ins Tal schweifen zu lassen.
In nördlicher Richtung war der Blick ziemlich gut, keine störenden Wolken, obwohl am Horizont Richtung Bodensee ganz deutlich eine diesige Luftschicht zu erkennen war. Nach links sieht man unten die Ausläufer des Vierwaldstättersees, Luzern und daneben den Pilatus, gradeaus fällt der Blick auf Küssnacht, den Zugersee mit Zug am anderen Ende, und in der Ferne erahnt man den Zürichsee bzw. Zürich. Weiter rechts ist dann östlich vom Zugersee der Blick versperrt durch einige niedrigere Berge wie der Wildspitz mit 1580m.
In südlicher Richtung gab es in erster Linie Wolken zu sehen. Das nahm ich der Wettervorhersage etwas krumm, die hatten nämlich was von wolkenlosem Sommerhimmel erzählt. Bis zum Stanserhorn reichte die Sicht, danach war dann alles nur noch Wolke. In einzelnen Lücken waren dann trotzdem noch weiter entfernte Gipfel sichtbar, so z.B. der Titlis mit seinen reichlich 3200m. Man muss aber auch dazu sagen, dass die Rigi dort in Richtung Norden steil abfällt, während das Bergmassiv nach Süden hin eher gemächlich an Höhe verliert.

Nachdem ich da also ein paar Minuten lang Löcher in die Wolken geguckt hatte und einen Haufen sehr gleichartig aussehender Fotos auf dem Chip gespeichert waren, ging es nun an die eigentliche Wanderung. Naja, mehr Spaziergang. Geplant war ein geruhsamer Ausflug zu einem weiteren Aussichtspunkt mit theoretisch hervorragender Sicht in Richtung Luzern.
Da marschiert man dann also recht steil den Berg runter bis zur nächsten Station der Bergbahn, Rigi Staffel heißt die. Da hat man schon mal 200 Höhenmeter verloren. Der Weg war trotz Steilheit gut zu laufen, im wesentlichen ist es wohl ’ne Zufahrtsstraße zur Bergstation. Da war natürlich viel Betrieb, viele Wanderer kamen mir entgegen, andere überholten mich auf dem Weg nach unten – es gibt halt eben nur einen Berggipfel, und dementsprechend groß war der Andrang. Im weiteren Verlauf des Weges verteilte sich das dann alles ein wenig, blieb aber trotzdem gut besucht.
Der Weg folgte nun der Vitznau-Rigi-Bahn, ihrerseits die älteste Bergbahn Europas, eröffnet 1871. Die wiederum führte eigentlich nur bis zur Station Rigi Staffelhöhe, die Verlängerung bis zur Bergstation folgte erst später mit dem Bau der anderen Bergbahn, und selbst dann blieb das alles betrieblich kompliziert, weil der letzte Abschnitt im Kanton Schwyz liegt, und die Vitznau-Rigi-Bahn da keine Konzession besaß. Da wurden also wild Streckenabschnitte gepachtet. Dieses Drama endete erst 1992, als die Bahnen fusionierten, nachdem sie bereits seit den 30er Jahren der Interoperabilität wegen technisch (z.B. bei der Fahrleitung) die gleichen Wege beschritten hatten. Aber zurück zum Thema…
Der Wanderweg führt an einer Geländekante entlang, so dass man Richtung Norden guten Ausblick in Richtung Küssnacht und Umgebung hat, wenn sich nicht grad unfotogene Wolken im Weg schieben. Der Weg verläuft da relativ eben und lässt sich somit gut laufen, bevor man kurz vor dem Aussichtspunkt Känzeli in ein paar Serpentinen runtersteigen muss.
An dieser Stelle kam ich dann auch ordentlich ins Schwitzen, zum Einen weil die Temperaturen nun doch dem Wetterbericht folgen wollten, zum Anderen weil die aufziehenden Wolken für hohe Luftfeuchtigkeit sorgten. Am Aussichtspunkt angekommen sah ich prinzipiell nur, dass ich genau gar nix sah. Ich konnte also nur Fotos von den Tafeln machen, die mir erklärten, was ich alles sehen würde, wenn da eben keine Wolken im Weg wären. Zum Glück hatte ich gleich am Anfang an der Bergstation Fotos gemacht, denn die Sicht war nun zu nix mehr zu gebrauchen, obgleich die Wolken sich zwischen dem Aussichtspunkt und Luzern über dem See sammelten – von weiter oben oder weiter unten hätte man sicherlich eine tolle Sicht gehabt. Nur stand ich eben genau auf der Höhe, in der auch die Wolken herumschwirrten.

Eine kurze Pause später ging es nun einen bequemen Spazierweg entlang zur Station Rigi Kaltbad-First. Von da kann man dann mit der Bergbahn fahren, oder mit der Seilbahn, es gibt einen Minigolfplatz, ein Mineralbad, Restaurants, Ferienwohnungen und quasi alles was der Tourist so gebrauchen kann. Ich hätte eine Klo gebrauchen können, das war aber außer Betrieb. Nuja, irgendwas ist ja immer.
Der Blick auf den Fahrplan verriet mir, dass ich nun 45 min auf den Zug warten musste, der mich hinunter nach Vitznau bringen sollte. Ich suchte mir also eine Sitzgelegenheit und guckte dem geschäftigen Treiben zu. Da kamen zwei bergwärts fahrende Züge durch, Menschenmassen wälzten sich zu den Restaurants, man konnte über komisch gewandete Touristen staunen (eine osteuropäische Frau um die 60 in hohen Stöckelschuhen schoss den Vogel ab) und irgendwie hab ich mich in 45 Minuten auch schon mehr gelangweilt, zum Beispiel im Schulunterricht früher.
Sardine, eingedost (4.5km, 0:30h, ↗0m, ↘971m)
Gefühlte Ewigkeiten vor Ankunft des Zuges stellten sich Horden von Touristen bereits am Bahnsteig auf, bereit den Zug zu überrennen. Ich schlich mich dann pünktlich zur Einfahrt des Zuges gemütlich an ihnen vorbei ans entfernteste Ende des Bahnsteigs, da war noch Platz. Für den Zug kann man das nicht behaupten, der war knackevoll, und nachdem dann alle eingestiegen waren war das in etwa so wie eine Sardinendose – ich lehnte an einer Zwischenwand neben der Türe, da stand ich noch vergleichsweise bequem, umkippen konnte man sowieso nicht.
Und dann ging die wilde Fahrt auch schon los, 25 Minuten für 4.5km. Ich lehnte mich wie gesagt bequem gegen die Wand, die mir gleichzeitig Stabilität gab für die steile Fahrt nach unten. Der vor mir im Einstiegsbereich sitzende Hund hatte mehr Probleme, der Boden war so glatt, dass er ob der Steigung einfach durch den Wagen rutschte. Ich hatte derweil eigentlich nur die Uhr im Blick, denn der Umstieg in Vitznau zur Bahn war zwar theoretisch reichlich bemessen, praktisch hatten wir aber ob der Tourimassen fünf Minuten Verspätung und hielten auch noch bei jedem Bedarfshalt auf dem Weg nach unten an.

Ich hatte dabei natürlich noch den Vorteil, dass ich an der vordersten Tür stand und somit den kürzesten Weg fürs Umsteigen hatte. Die Massen quollen also auf den Bahnsteig und schoben sich an der imposanten Drehscheibe (ich machte im Vorbeigehen noch zwei Fotos) vorbei zum Schiffsanleger. Da war nur noch gar kein Schiff, das war noch ein paar hundert Meter weg.
Nach links aufs Oberdeck, jeder nur eine Fahrkarte… (15.2km, 1:02h, ↗31m, ↘31m)*
*Nein, da gabs keine großen Wellen auf dem See, das sind wieder nur akkumulierte Rundungsfehler.
Kaum war das Schiff am Anleger festgezurrt, gabs ein elendes Gedränge und Geschiebe, bis dann ein Schweizer etwas lauter wurde, weil da auch Leute mit Rollstuhl und Rollator waren, die da wenig respektvoll herumgeschubst wurden. Abgesehen davon hat so ein Schiff ja genug Platz für die paar hundert Leute, die da am Anleger herumstanden. Gut, wäre ich nicht grad an einem Sonntag der Ferienzeit da unterwegs gewesen wäre das wohl auch entspannter gewesen, aber wirklich schlimm ist anders.
Ich fand einen Sitzplatz am Tisch eines italienischen Paares, was wohl (laut den Unterlagen auf dem Tisch) einen Ausflug mit dem Gotthard-Panorama-Zug gemacht hatte. Das Angebot besteht aus der Zugfahrt über die Gotthardstrecke von Lugano bis Flüelen, ab dort dann mit dem Schiff nach Luzern, dort Übernachtung im Hotel und am nächsten Tag zurück. Auch ein schöner kleiner Kurzurlaub. Auf jeden Fall saß ich da an der frischen Luft, mit dem Rücken zur Wand der Kabine und dementsprechend gut windgeschützt und hatte einen fantastischen Blick auf den See.

Das Schiff wiederum war ein Raddampfer, so richtig mit Dampfmaschine und allem Drum und Dran. Uralte Technik, die aber heute noch tadellos funktioniert. Und es ist einfach spannend zu bemerken, wie das ganze Schiff im Takt der Maschine zuckt. Außerdem machen die großen Schaufeln links und rechts ordentlich was her, da wird der See schön umgerührt.
Und so kam ich dann sehr entspannt bereits recht früh am Nachmittag wieder in Luzern an. Die Zeit nutzte ich dann um zunächst den fehlenden Schlaf nachzuholen und dann zum Schreiben von Ansichtskarten. Am folgenden Montag hatte ich Geburtstag, da war dann eine längere Wanderung geplant, die laut Wetterbericht bei bestem Wetter ohne Wolken stattfinden würde. Aber das ist etwas für einen anderen Eintrag.

 
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