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Album der Woche

28. November 2024, 21:12 Uhr von Uwe

Hmpf, jetzt sitz ich schon fünf Minuten vor dem leeren „Blatt“ elektronischen Papiers, weil mir mal wieder keine hirnrissige Einleitung einfällt. Mir fällt nicht mal eine vernünftige Einleitung ein, mir fällt quasi überhaupt gar nix ein. Dabei gäbe es viel zu sagen, denn es soll diese Woche um ein Album gehen, was vor einem reichlichen Vierteljahrhundert mein Verständnis von Heavy Metal massiv erweitert hat und allein deswegen einen speziellen Platz in meinem Schrank verdient hätte. Ganz unabhängig davon ist es aber sowieso ein Meisterwerk voller Theatralik, Dramatik, vokaler und sechssaitiger Akrobatik und diverser weiterer Worte, die auch auf -ik enden 😉

So, nachdem nun also doch irgendeine Einleitung steht, können wir ja mal zum Thema kommen. Band der Woche ist Savatage, und die schmissen vor 35 Jahren eine Scheibe namens „Gutter Ballet“ auf den Markt, die das Album der Woche darstellt. Das Vorgängeralbum „The Hall Of The Mountain King“ von 1987 hatte die Band mit Produzent Paul O’Neill zusammengebracht, der den Sound von rohem Power Metal in eine theatralischere Richtung veränderte. Das zeigte sich hier nun noch stärker in Form von einer Breitwandproduktion mit viel Piano, die trotzdem aber genug Raum für die Verrücktheiten von Criss Oliva lässt, der mal wieder alle Flitzefinger der damals angesagten Hair-Metal Szene alt aussehen lässt. Musikalisch hatten Savatage mit denen ohnehin nix am Hut.

Quasi das gesamte Album wurde von den Oliva-Brüdern und Paul O’Neill komponiert, rausgekommen ist ein knappes Dutzend Songs, darunter zwei Instrumentalstücke. Die Bandbreite reicht dabei vom geradlinigen Banger bis hin zum epischen Overkill in Überlänge, und am Ende des Albums kommt noch eine Songtrilogie dazu, die thematisch zusammenhängt. Klingt nach einer wilden Mischung, ist auch eine wilde Mischung.

Bevor wir zum Inhalt kommen muss man an dieser Stelle mal das fantastische Artwork feiern, welches Gary Smith mit Airbrush hingezaubert hat (er machte auch die Cover für u.a. „The Hall Of The Mountain King“ und „Edge Of Thorns“). Die Theaterbühne mit dem Piano, die angedeutete Ballerina, Criss‘ weiße Gitarre und alles eingerahmt von schweren Teppichen und Kronleuchtern, das ist schon eine ganz spezielle Stimmung, die so keine andere Band hinbekommen hat. Und es passt eben auch einfach mal wie die Faust mitten ins Gesicht, wenn auch auf ganz andere Art als vier Jahre früher bei „Power Of The Night“ mit der Faust auf dem Cover.

Eröffnet wird das Album mit Of Rage And War, einem relativ unspektakulären Song, der nichtsdestoabertrotz inhaltlich heute genauso relevant ist wie damals – wir könnten alle ganz gut ohne Wut und Krieg auskommen. Direkt danach folgt das Titelstück, welches mit einem Pianointro beginnt, welches Jon seit Criss‘ Tod angeblich nicht mehr fehlerfrei gespielt haben will. Für den Song wurde ein Musikvideo gedreht, welches beim damals noch real existierenden MTV lief. Der Songtitel gehörte eigentlich zum Konzept, aus dem zwei Jahre später das nächste Album „Streets“ werden sollte, welches im Endeffekt ja eine Geschichte aus der Gosse erzählt. Macht aber nix, der Song wurde ein Klassiker und zeigt Jon und Criss in Bestform – tatsächlich spielte Jon für diesen Song im Studio wohl Piano, Bass und Schlagzeug ein.

An dritter Stelle folgt Temptation Revelation, ein wildes Instrumentalstück mit klassischen Klängen aus dem Keyboard, welches das Intro für das nachfolgende When The Crowds Are Gone darstellt. Der Song ist einer der allergrößten Klassiker im Katalog der Band, und was Jon hier im letzten Drittel mit seinen Stimmbändern anstellt ist erstens nicht von dieser Welt und zweitens arg ungesund – wobei es nicht geholfen hat, dass er raucht(e) und seine Nase in allerlei teure Pülverchen steckte. Wie auch immer, wenn man wissen will, wie theatralische Dramatik und Heavy Metal zusammengehen, muss man sich genau diesen Song anhören. Teile der Lyrics („I never wanted to know, never wanted to see, I wasted my time till time wasted me. Never wanted to go, always wanted to stay, ‚cause the person I am are the parts that I play“) waren sogar gut genug, um sie zwei Jahre später in Believe zu recyclen, was ja eine weitere extrem wichtige Nummer der Bandgeschichte ist.

Zum Durchschnaufen folgen nun das sehr akustische Instrumental Silk And Steel und der gradlinige Banger She’s In Love (mit einem Text der Sorte „da sagen wir mal besser nix dazu“). Nächstes Highlight ist das mächtig düstere Hounds, in dem es um furchteinflößende Höllenhunde geht, was musikalisch mit schwersten Keyboardwalzen unterlegt wird. Weniger düster, aber dafür mit den wildesten Gitarrenhexereien und markantem Geschrei von Jon ausgestattet ist das folgende The Unholy, was textlich irgendwo bei Conan dem Barbar und ähnlichen Schmonzetten geklaut ist.

Den Abschluss bildet die Songtrilogie Mentally Yours, gefolgt von Summer’s Rain und Thorazine Shuffle. Da geht’s um eine mental instabile Person, die schlussendlich in der Irrenanstalt landet. Musikalisch haben die Songs nicht allzuviel miteinander zu tun, ich persönlich zähle sie auch nicht unbedingt zu den relevantesten Highlights der Band.

Es wurden noch ungefähr hundertdrölfzig weitere Songs aufgenommen oder vorbereitet, die dann teilweise als Bonussongs auf anderen Veröffentlichungen landeten, teilweise später von Jon überarbeitet und unter dem Banner seiner neuen Band Jon Oliva’s Pain veröffentlicht wurden.

Fazit: Ein ganz großer Klassiker der Band, ein für mich emotional unheimlich wichtiges Album und deswegen völlig verdient Album der Woche. Achja, die Videos zu Gutter Ballet und When The Crowds Are Gone findet man nun in der Onlinevideothek des geringsten Misstrauens, leider nur in grottiger Auflösung.

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