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Album der Woche

15. November 2024, 23:13 Uhr von Uwe

Erstaunlicherweise ist schon wieder eine Woche rum, und ich hätts doch beinah verpeilt, den relevanten Beitrag zu tippern. Nicht dass es irgendwen in irgendeiner Weise interessieren würde, was ich hier so für dummes Zeug schreibe, aber Plan ist Plan. Die Reihe heißt nunmal Album der Woche und nicht Album des „ich hatte grad mal Lust und Laune“-Intervalls. Und außerdem geht es diese Woche um ein großes Album.

Genau genommen ist es gar nicht so groß, 12 Zoll nämlich, also handelsübliches Schallplattenformat. Die inneren Werte zählen, und die musikhistorische Bedeutung in den Kreisen des schwermetallischen Paralleluniversums gehört da wohl dazu. Und hier punktet die Scheibe, wurde sie doch unter die Top 3 der 500 besten Alben aller Zeiten gewählt – nicht von mir, sondern von meinem favorisierten Fachmagazin für angewandte Krawallkunst.

Relevanterweise geht es also in dieser Woche um Metallica und deren Zweitling „Ride The Lightning“ von 1984. Damit ist eigentlich alles gesagt, denn der Kenner weiß nun eh um was es geht, kennt die Scheibe sowieso und kann die Hälfte der Songs rückwärts im Schlaf mitpfeifen. Und alle anderen haben halt eine relevante Bildungslücke, so nämlich.

Aber der Reihe nach: Das Debütalbum „Kill ‚em All“ aus dem Vorjahr war noch eine recht rohe und gewissermaßen primitive Angelegenheit, hier jedoch zeigt sich die Band deutlich gereift, die Songs sind komplexer und anspruchsvoller, James Hetfield’s Gesang ist um Welten besser und Bass-Tier Cliff Burton drückt den Kompositionen seinen markanten Stempel auf.

Die acht Songs der Scheibe sind zum allergrößten Teil ganz große Klassiker und Teil der schwermetallischen Grundbildung geworden. Allein die A-Seite der LP zählt so ziemlich zum Besten, was je auf eine Vinylseite gepresst wurde. Der Opener Fight Fire With Fire über das atomare Wettrüsten und den damals noch real existierenden Kalten Krieg ist schnell, ach was, pfeilschnell, und hackt im allerfeinsten Stil durch die Botanik, so wie schon das Debütalbum, aber deutlich fokussierter und besser produziert.

Danach folgen drei der allergrößten Bandklassiker überhaupt. Das Titelstück beschreibt in sechseinhalb Minuten die Gedanken eines zum Tode Verurteilten, der auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet werden soll. Inhaltlich überschneidet sich das mit Hallowed Be Thy Name von Iron Maiden, allerdings ist der Verurteilte in diesem Fall unschuldig und der Song eine klare Anklage an das Justizsystem, während Steve Harris das Thema eher von der philosophischen Seite her angegangen war.

An dritter Stelle folgt For Whom The Bell Tolls, was passenderweise mit Glockenschlägen eingeleitet wird. Der Song basiert auf dem gleichnamigen Buch von Ernest Hemingway über den Horror des modernen Krieges. Während die Musik also unaufhaltsam marschiert wie ein Trupp Soldaten wird textlich mit dem ganzen Grauen abgerechnet: „On they fight, for they’re right, yes, but who’s to say? For a hill men would kill. Why? They do not know.“

Danach wird die erste LP-Seite mit Fade To Black abgeschlossen, einem Stück was einer Powerballade noch am nächsten kommt. Das beginnt mit einem Intro auf akustischer Gitarre, dann folgen zwei Strophen und danach ein monumentales düsteres heftig elektrisches Outro. Inhaltlich geht es um Depressionen und Selbstmord, was ein deutlich realeres Thema ist als irgendwelche Horrorgeschichten über Beelzebub und den ach so bösen Luzifer. Neben Paranoid von Black Sabbath ist das hier glaube ich eine der besten Umschreibungen für innere Leere, die man im Bereich der harten Rockmusik finden kann: „There is nothing more for me, need the end to set me free.“ in der ersten Strophe, „Emptiness is filling me, to the point of agony.“ in der zweiten Strophe und vor dem finalen Instrumentalteil der Abschied: „Yesterday seems as though it never existed. Death greets me warm, now I will just say goodbye.“ Großes musikalisches Kino, inhaltlich aber echt schwere Kost.

Die zweite LP-Seite fällt etwas ab, da beginnt man mit zwei Songs, die man als Lückenfüller bezeichnen könnte. Trapped Under Ice ist ein schnelles und kompaktes Stück Thrash-Metal, sehr ähnlich zum ersten Stück des Albums, während das folgende Escape das von James Hetfield am meisten gehasste Stück der Band ist, weil es auf Druck der Plattenfirma entstand. Entsprechend wurde die Nummer nur ein einziges Mal live aufgeführt, als sie das Album komplett spielten. Da sieht man mal wieder wo es hinführt, wenn Leute reinreden, die keine Ahnung haben.

Zum Glück kriegt das Album danach die Kurve, Creeping Death ist nämlich einer der größten Klassiker der Band. Das absolut naheliegende Thema sind die zehn Plagen, die das olle Ägypten heimsuchten (Heuschrecken, Tod der Erstgeborenen Söhne, das volle Programm). Der Tempowechsel im Mittelteil mit dem schönen „Die, by my hand, I creep across the land, …“ lädt idealerweise zum Mitgrölen beim Liveauftritt ein, verschreckt aber möglicherweise auch harmlose Nachbarn.

Das Ende des Albums markiert ein neunminütiges Instrumentalstück namens The Call of Ktulu (der müsste allein schon deswegen sauer sein, weil er ja eigentlich Cthulhu geschrieben wird). Das ist eine Gestalt aus den Büchern es Horrorautors H.P. Lovecraft, der quasi alle inspiriert hat, die irgendwas mit düsterer Fantasy zu tun haben – und eigentlich muss ich mir da auch endlich mal die gesammelten Werke von Lovecraft zulegen und durcharbeiten. Die Nummer wurde maßgeblich von Bassist Cliff Burton zusammengebastelt, der hier auch ein fettes Solo spielt.

Fazit: Acht Songs, davon fünf unsterbliche Klassiker, was will man mehr? Diese Trefferquote haben Metallica nie wieder erreicht.

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