Wir leben ja in wirklich seltsamen Zeiten. Die Amis wählen verurteile Kriminelle zum Präsidenten, die deutsche Regierungskoalition zerbröselt wegen Haushaltsstreitigkeiten (das hätts bei meinen Großeltern nicht gegeben, da war klar geregelt, wer abwäscht), und überhaupt kann man den ganzen Zirkus nur mit dem Wort „Affentheater“ umschreiben – wobei ich mich umgehend bei allen Affen entschuldige, die gar nix dafür können.
In so bekloppten Zeiten ist es also gut, wenn man sich auf gewisse Konstanten verlassen kann: Die Krankenkassenbeiträge steigen, die Weihnachtsplanung ist ungeklärt, und ich referiere in unnötiger Epik über das Album der Woche. In dieser Woche geht es um einen Typen, der hier tatsächlich noch nicht Thema war, weil er eigentlich vor rund 25 Jahren nur mit auffällig schmalzigen Balladen im Radio präsent war. Heutzutage ist er in erster Linie photografisch tätig, vorgestern hatte der gute Mann 65. Geburtstag. Die Rede ist von Bryan Adams, und der hatte vor 40 Jahren tatsächlich mal ein ausgesprochen zeitloses Album veröffentlicht.
Dieses hört auf den Titel „Reckless“ und erschien auf den Tag genau an seinem 25. Geburtstag. Kann auch nicht jeder von sich behaupten, an seinem Geburtstag ein Album auf die Menschheit losgelassen zu haben, schon gar nicht eins dass dann auch noch weit oben in die Charts kletterte.
Die Scheibe umfasst 10 Songs (davon 6(!) als Single ausgekoppelt) im radiotauglichen Format zwischen drei und vier Minuten. Der Härtegrad ist eher überschaubar und dürfte niemanden groß erschrecken, der gute Bryan geht ja eh als Schwiegermuttis Liebling durch, das passt also. Den Auftakt macht One Night Love Affair mit einem eher kräftig verzerrten Riff, inhaltlich geht es wie auch beim Rest des Albums um eher gefühlsduselige Themen. Das folgende She’s Only Happy When She’s Dancing klingt nicht halb so sperrig wie der Titel lang ist, während das an dritter Stelle platzierte Run To You einen der zwei ganz großen Klassiker des Albums darstellt. Die Nummer läuft heute noch im Rockradio, war außerdem sehr präsent (zumindest bei mir) im Soundtrack von GTA Vice City und ist auch sonst rundherum super – aber wem erzähl ich das eigentlich, kennt doch quasi eh jeder.
Mit dem vierten Song Heaven hab ich nun so meine ganz eigenen Probleme. Das ist ’ne ganz gefühlvolle ruhige Ballade, die eigentlich nicht so richtig zum Rest des Albums passen will. Bei mir ist die aber vermutlich auf ewig mit der Beerdigung eines Arbeitskollegen verbunden, der 2012 an einem unsagbar dämlichen Unfall verstorben war. Das Lied lief da eben auf der Beerdigung, und nun kommt diese Erinnerung jedes Mal wieder hoch, wenn ich den Song höre. Das soll aber nix dran ändern, dass die Nummer eigentlich eine ganz wunderschöne Rockballade ist – fanden auch die Amis, die das Ding auf Platz 1 der Singlecharts kauften.
So, weiter geht es mit rockigeren Sounds, Somebody ist wieder ganz auf der Linie der ersten drei Songs, war ebenfalls als Single ausgekoppelt und läuft ebenso immer mal wieder im Rockradio. Dahinter folgt der zweite ganz große Klassiker des Albums, und da geht es ausnahmsweise mal nicht um die großen Gefühle, sondern um Kindheitserinnerungen, wie sie Bruce Springsteen auch gern vertont. Die Rede ist von Summer Of ’69. Kennt vermutlich eh jeder, wenn man Bryan Adams erwähnt dürfte das eine der ersten Assoziationen sein.
Nach diesem Klassiker fällt die Qualitätskurve mit Kids Wanna Rock ein wenig ab, wobei andere für so eine Nummer sicher diverse Körperteile und Schwiegermütter verkaufen würden. Auf der Zielgeraden folgt mit It’s Only Love kein Beatles-Cover, sondern ein weiteres gradeaus rockendes Stück Musik mit Tina Turner als Gast am Mikro. War natürlich auch eine Single, völlig klar. Die letzten beiden Songs Long Gone und Ain’t Gonna Cry sind dann mehr oder weniger nochmal das Gleiche in Grün, wobei grad letztere Nummer nochmal den Härtegrad etwas erhöht und überraschend heftig aus den Boxen dröhnt.
Das mag jetzt alles etwas despektierlich geklungen haben, aber das Album ist eines von ganz wenigen, die von vorn bis hinten keinerlei Füllmaterial enthalten. Im Fach „radiokompatible Rockmusik“ spielt das in der allerobersten Liga mit. Ich muss mir das Album jetzt nicht unbedingt ständig anhören, aber man muss eben neidlos anerkennen, dass der gute Bryan hier so ziemlich alles richtig gemacht hat.

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