Vor einigen Wochen referierte ich ja in episch ausladender Unnötigkeit über King Crimson und die wachsende Rolle der Bedeutung [des Debüts besagter Band] als Basis der Grundlage der Entwicklung progressiver Rockmusik. Im englischsprachigen Ausland schossen entsprechende Bands wie Pilze aus dem Boden, in Deutschland lärmte man ausgesprochen experimentell herum, was zum Qualitätsbegriff „Krautrock“ führte, und dann war da noch eine Truppe von Künstlern in Düsseldorf, die ihre ganz eigene Definition von Progressivität hatten.
Besagte Künstler fingen auch im Krautrock an und veröfffentlichten da einige heute sehr rare – weil nicht mehr aufgelegte – Platten, die mehr mit Stockhausen als mit „kontemporärer Populärmusik“ zu tun haben. So richtig auf der Bildfläche erschienen sie dann aber heute vor 50 Jahren, denn da erschien ein Album, welches in quasi jeglicher Beziehung bahnbrechend und wegweisend war.
Besagte Adjektive passen auch prima zum Titel des Albums, denn das heißt schlicht „Autobahn“ und ist natürlich von Kraftwerk. Damit dürfte auch grob klar sein, welche Klänge einen hier erwarten, wobei die beiden LP-Seiten kaum unterschiedlicher sein könnten. Auf der zweiten Seite gibt es mit Kometenmelodie 1, Kometenmelodie 2, Mitternacht und Morgenspaziergang vier instrumentale Experimentierstücke mit Mischungen aus elektronischen Klängen und analogen Instrumenten, die noch weit von der später so wichtigen Eingängigkeit der Pop-Stücke wie Das Modell entfernt sind. Am ehesten in diese Richtung tendiert Kometenmelodie 2.
Dreh- und Angelpunkt des Albums ist aber selbstverfreilich das Titelstück, welches mal eben die gesamte erste LP-Seite einnimmt und dabei so monoton klingt wie eine Autobahnfahrt nunmal eben auch sein kann. Neben des in zig Varianten wiederholten Grundthemas gibt es sogar Gesang mit passender Stimmverzerrung und inhaltsleer banalem Text, der in seiner Einfachheit quasi schon dadaistisch daherkommt und somit quasi künstlerisch wertvoll ist. Nur die Deutschlehrer kommen zu kurz, in „Wir fahr’n fahr’n fahr’n auf der Autobahn“ kann man nur mit größten Anstrengungen irgendwas reininterpretieren.
Wichtig ist aber sowieso die Musik, und die passt eben ganz hervorragend als Untermalung zu einer Autobahnfahrt. Und wenn man seine Mitfahrer so richtig ärgern will dann eben auf Repeat über mehrere Stunden. Das Erstaunliche an dem Stück ist ja eben gerade, dass sie aus total minimalen Mitteln ein Stück von über 20 Minuten gezaubert haben, was einem wie höchstens fünf Minuten vorkommt, weil es durch die vielen Variationen einfach nicht langweilig wird.
Dass Kraftwerk damit natürlich Vorreiter und Wegbereiter für alles mögliche von Detroit Techno bis hin zu sämtlichen Varianten zeitgenössischer elektronischer Musik in sämtlichen Clubs von Berlin bis San Francisco waren ist sowieso klar. Inzwischen sind kann man sie quasi als Gesamtkunstwerk betrachten, welches weit über die Musik hinausgeht – dazu gehört das entsprechende Image, die präzise geplanten Liveauftritte und so weiter und so weiter. Die Musiker hinter diesem Kunstwerk sind inzwischen teilweise verstorben, aber über Kraftwerk wird man auch in Zukunft noch lange reden.
Und ich hör mir jetzt das Stück an, mit dem vor 50 Jahren alles anfing *brummbrumm* *hup*

Kommentare