Es ist Feiertag, deswegen gibt es den Eintrag vormittags bzw. mittags. Tag der Deutschen Einheit, der Tag wo man feiert, dass man ohne Zoll- und Passkontrollen von Aachen nach Görlitz reisen kann. Ob man das tun will ist eine ganz andere Frage, und es gibt ja genug Leute mit Mauern im Kopf, die in die Kleinstaaterei zurückwollen. Ob da nun das zusammenwächst was zusammengehört und ob wir da nun die von der überdimensionierten Birne versprochenen blühenden Landschaften haben… nunja. Manchmal hat man ja durchaus das Gefühl, dass die verschiedenen Ecken Deutschlands in etwa so viel gemeinsam haben wie Alpha und Omega. Und damit schlagen wir nun den großen Haken zum Album der Woche.
Da geht es auch um alpha und omega, quasi den Anfang vom Ende. Und weil hinten das neue vorn ist fangen wir dort auch an: Es geht um die Band Omega aus Ungarn. Die ist inzwischen Geschichte, womit wir nun vom Ende zurück an den Anfang springen, nämlich zu deren zweiten Album aus dem Jahr 1969 mit dem schönen Titel „10000 lépés„. Das heißt so viel wie 10000 Schritte.
Auf dem Album finden sich zehn Songs, die den Übergang von der Beatmusik des Debüts hin zu psychedelischem Hardrock markieren, wie ihn damals Bands wie die frühen Deep Purple spielten, als sie noch versuchten Vanilla Fudge zu kopieren. Die ungarischen Texte sind dabei natürlich ein Alleinstellungsmerkmal. Je nach Song geht es dabei noch in diese oder jene Richtung, hier und da bleibt man noch nah an der Beatmusik, an anderen Stellen wird es hingegen richtiggehend progressiv.
Das eröffnende Petróleumlámpa (jepp, ne Öllampe wie bei Aladdin) kommt mit einem markanten Schlagzeugmuster daher, mittendrin taucht ’ne Mundharmonika auf und ansonsten ist die Nummer aber ziemlich simpel gestrickt. Direkt danach kommt der ganz große Überhit von Omega und eine der bedeutendsten Nummern der ungarischen Rockmusikgeschichte. Gyöngyhajú lány (Pearls In Her Hair bzw. Das Mädchen mit den Perlen im Haar) ist eine Ballade mit märchenhaftem Text (zumindest in der englischen Fassung, in der ich dann auch verstehe um was es geht). Die Nummer war ein riesiger Hit im gesamten Ostblock und wurde unzählige Male gecovert (in der DDR muss das wohl ein großer Hit von Frank Schöbel gewesen sein), in den 90ern war es die musikalische Basis für den Song White Dove der Scorpions, und selbst Skandalrapper Kanye West hat sich unerlaubterweise an dem Stück vergangen wie ich jetzt gelesen habe… Wie auch immer, hier ist nix mehr mit Beatmusik, da sind schon deutliche Elemente der gerade aufkommenden härteren Rockmusik am Start, grade die Steigerung mit den Schreien am Ende des Songs sprechen da eine deutliche Sprache.
Das folgende Tűzvihar (Firestorm) klingt wie es der Titel vermuten lässt – der Song wird vom Schlagzeug und einer stark verzerrten Gitarre vorangetrieben. Mit englischem Text ginge das problemlos als Proto-Hardrock durch, Cream und Konsorten lassen grüßen, nur das instrumentale Zwischenstück nach zwei Minuten passt da nicht so ganz rein. Danach folgt mit Udvari bolond kenyere (Bread Of The Court Jester) eine ganz anders gelagerte Nummer, eher getragen und langsam, musikalisch von Orgel und Bläsern bestimmt.
Den Abschluss der ersten LP-Seite liefert danach der Achtminüter Kérgeskezű favágók (Callous Handed Woodcutters) – auf so einen Titel muss man erst einmal kommen… Der beginnt mit experimentellen Waldgeräuschen, wo die Holzhacker ihrer Arbeit nachgehen. Nach reichlich zwei Minuten folgt dann ein episches Schlagzeugsolo, denn was John Bonham kann, kann man natürlich auch im Osten. Nach knapp vier Minuten Schlagzeugsolo folgt ein Orgelthema und der Song geistert rein instrumental noch zwei Minuten durch die Walachei. Das große Vorbild hier ist unverkennbar Moby Dick von Led Zeppelin, nur dass man es hier eben auf über acht Minuten auswalzt.
Auf der B-Seite beginnt man mit furiosen Fanfarenklängen zu Tékozló fiúk (Prodigal Sons), bevor eine fett verzerrte Gitarre dazu losrifft. Das rockt ordentlich, auch wenn der Gesang hier echt gewöhnungsbedürftig ist. Danach folgt das Titelstück des Albums in Form von Tízezer lépés (Ten thousand steps bzw. Zehntausend Schritte). Hier dröhnt vor allem eine ganz schwere Orgel mit einem ebenso fetten Bass um die Wette. Das Stück walzt auf einem monotonen Riff in sechs Minuten einfach mal alles platt und ist dabei eine psychedelische Rocknummer von allerbester Qualität. Der Song ist für mich eine der besten Nummern von Omega überhaupt und bringt die frühe Hardrockphase am allerbesten auf den Punkt.
Als Kontrastprogramm folgt die entsprechend betitelte Boogie-Nummer Az 1958-as boogie-woogie klubban (In The 1958’s Boogie-Woogie Club), die genau so klingt wie man sich das vorstellt. Da wird eben etwas über zwei Minuten am Klavier rumgeklimpert, und dann ist der Spuk auch schon vorbei. Spanyolgitár legenda (Legend Of The Spanish Guitar) hingegen beginnt mit einer akustischen Gitarre und ist eine ruhige Folk-Nummer, die noch sehr an die Beatmusik-Anfänge erinnert, während die Streicher im Hintergrund mich auch an frühe Bee Gees erinnern.
Den Abschluss des Albums bildet schließlich Félbeszakadt koncert (Interrupted Concert), wo die Gitarre ordentlich verzerrt wird und hardrockig riffen darf. In der Mitte wird dann mit der Orgel um die Wette soliert (Deep Purple lassen grüßen) und dann ist die Platte auch schon zuende.
Fazit: Eine wilde Mischung aus unterschiedlichsten Klängen, was eine nicht wirklich kohäsive Mischung ergibt. Da hier aber zwei der allergrößten Hits der Band vorhanden sind und diverse weitere versteckte Protohardrocker den weiteren Weg vorgeben, in den sich die Band weiterentwickeln würde, ist das Album ein wesentlicher Meilenstein in der Diskographie.

3. Oktober 2024, 14:49 Uhr
Ungarn war schon immer ein bisschen anders innerhalb des Ostblocks. Dass aber eine Band von dort so populär wird, ist schon deren Klasse zuzurechnen.
Auf Maschines Album «Große Herzen» ist ein hörenswerter Titel «Legende aus Budapest» zum Andenken an Mecky drauf. (Das Ende erinnert sehr an «He John», nur mit anderem reingemixten Lied.)