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Um drei Ecken zum Doktor

28. September 2024, 15:28 Uhr von Uwe

Ich bin nicht krank (abgesehen von diversen Macken und Durchgeknalltheiten und normaler Beklopptheit), und deswegen gibt es jetzt statistische Auswertungen und staubtrockene Zahlenwüsten, einfach weil ichs kann und Spaß dran hab.

Im Endeffekt geht es um das „Kleine Welt„-Phänomen. Das besagt, dass man über nur sehr wenige Kontakte zu quasi jedem Menschen auf dieser Welt kommen kann. Ich bin mit x Personen in Kontakt, die wiederum sind mit anderen Personen in Kontakt, und so zieht das Kreise, und plötzlich gibt es Kontakte fünften Grades irgendwo in Timbuktu oder im Dschungel am Amazonas. Und tatsächlich kommt man wohl in den allermeisten Fällen mit 6 Kontakten hin.

In ähnlicher Form gibt es dafür Kennzahlen, die eher Insiderwitze sind, dieses Phänomen aber auch zeigen: Bei Mathematiken gibt es die Erdös-Zahl. Diese sagt aus, über wie viele Ecken man mit dem ungarischen Mathematiker Paul Erdös zusammengearbeitet hat (gemeinsame Autorenschaft bei wissenschaftlichen Artikeln u.ä.). Paul Erdös hat die Zahl 0, alle Personen, die mit ihm gemeinsame Veröffentlichungen gemacht haben, haben die Zahl 1, Leute, die wiederum mit Leuten der Zahl 1, aber nicht mit Paul Erdös selbst veröffentlicht haben, kriegen die Zahl 2, und so weiter.

Auf die gleiche Art wurde die Bacon-Zahl definiert. Diese bezieht sich auf den Schauspieler Kevin Bacon. Der hat die Bacon-Zahl 0, Schauspieler die mit ihm in einem Film waren haben die Zahl 1, Schauspieler, die mit Schauspielern der Zahl 1 geschauspielert haben, aber nicht mit Kevin Bacon, kriegen die Zahl 2 (und ich nen Koller ob der Häufigkeit des Wortes Schauspieler in diesem Satz). Inhaltlich sind Erdös-Zahl und Bacon-Zahl also gleich definiert, aber die Bacon-Zahl ist anschaulicher, weil nachvollziehbarer – man kennt ja doch irgendwie viele Schauspieler aus den entsprechenden Filmen, während mathematische Paper ein eher spezielles Thema sind.

Und weil ich manchmal ein bisschen größenwahnsinnig bin, definierte ich mir diese Woche meine eigene Zahl, womit wir dann auch den Bogen zurück zum Titel des Eintrags schlagen können: Die Zahl basiert auf dem Rennfahrer Valentino Rossi, auch bekannt unter dem Spitznamen „The Doctor“ bzw. „il dottore“ und ist definiert sich über die Personen, die gemeinsam mit ihm auf einem Podium standen.

Das Berechnen der Zahlen war nun eigentlich sogar relativ simpel, weil ich vor fünf Jahren schon mal eine ebenso umfangreiche wie staubtrockene Auswertung diverser statistischer Parameter gemacht hatte, als ich der Frage auf den Grund gehen wollte, wer denn nun der größte/beste/herausragendste/beeindruckendste Rennfahrer aller Zeiten sei – mit dem Ergebnis, dass man die Frage nicht objektiv beantworten kann.

Die notwendigen Daten (wer stand mit wem auf irgendwelchen Podesten und ließ die Korken knallen) waren also schon vorhanden (bis auf die Jahre 2020 bis 2024), so dass ich nur noch die fehlenden Jahre nachtragen und ein paar Berechnungen machen brauchte. Und was soll ich sagen, auch die Welt der Podestplätze ist ein Dorf.

Ausgangsbasis waren alle Rennen der Motorrad-WM (über alle Hubraumklassen) seit 1949 als auch der F1-WM seit 1950. Gesucht wurde zunächst nach allen Rennfahrern, die mit Valentino Rossi auf dem Podium standen (Rossi-Zahl 1). Dann wurde die gleiche Suche wiederholt für alle Rennfahrer mit der Rossi-Zahl 1, um eben die Fahrer mit Rossi-Zahl 2 zu finden. Und so weiter und so weiter, bis man nix mehr gefunden hat.

  • Rossi-Zahl 0: Valentino Rossi
  • Rossi-Zahl 1: 55 (die standen mit Vale auf dem Podium)
  • Rossi-Zahl 2: 142
  • Rossi-Zahl 3: 142
  • Rossi-Zahl 4: 165
  • Rossi-Zahl 5: 151
  • Rossi-Zahl 6: 133
  • Rossi-Zahl 7: 77
  • Rossi-Zahl 8: 39
  • Rossi-Zahl 9: 22
  • Rossi-Zahl 10: 14
  • Rossi-Zahl 11: 4
  • Rossi-Zahl 12: 2

Das sind in Summe 947 Fahrer (inklusive Vale selbst), und im Durchschnitt haben diese eine Rossi-Zahl von 4.47 – es ist also tatsächlich eine kleine Welt.

Man kann daraus nun einen schicken Graphen basteln, der die jeweils kürzesten Wege zeigt. Der ist allerdings mehrere Bildschirmseiten groß und etliche Megabytes schwer, und wenn man das runterskaliert gibts nur graue Pixel auf weißem Grund, das bringt nix. Sieht auf jeden Fall interessant aus, so viel müsste man mir als Leser jetzt hier glauben.

Und nun sabbel ich noch ein bissl über einige interessante Namen, die in diesem Kontext eine Rolle spielen. Unter den 55 Fahrern mit Rossi-Zahl 1 sind natürlich quasi alle Stars der 2000er und 2010er Jahre, also vor allem die Aliens Casey Stoner, Dani Pedrosa, Jorge Lorenzo und Marc Márquez, aber auch 500er-Fahrer der 1990er wie Alex Crivillé. Darüber hinaus finden sich auch Namen aus den kleineren Klassen wie Jorge Martínez, der in den 80er Jahren viermal Weltmeister wurde, ebenso wie die Deutschen Dirk Raudies und Ralf Waldmann. Und natürlich dürfen auch Namen aus der aktuellen MotoGP nicht fehlen, wie z.B. Fabio Quartararo.

Über all diese großen Namen kommt man nun zu den Fahrern mit der Rossi-Zahl 2. Da landet man einerseits bei quasi dem kompletten aktuellen MotoGP-Starterfeld mit Fahrern wie Francesco Bagnaia und Jorge Martin, andererseits über Alex Crivillé bei den Stars der 500er der 90er Jahre in Form von Mick Doohan, Wayne Rainey und Kevin Schwantz, während man über Jorge Martínez bei der spanischen Legende Ángel Nieto ankommt.

Mit Rossi-Zahl 3 landet man nun im aktuellen Feld der Moto3 und Moto2 (über die inzwischen in die MotoGP aufgestiegenen Jorge Martin, Brad Binder und Miguel Oliveira). Über Mick Doohan und Wayne Rainey kommt die Elite der 500er der 80er Jahre ins Bild, Namen wie Eddie Lawson oder Freddie Spencer tauchen da auf. In Richtung der 70er fallen auch Namen wie Barry Sheene, Dieter Braun und Toni Mang, während man mit Hans-Georg Anscheidt die 1960er Jahre erreicht.

Von dort aus kommen wir mit Rossi-Zahl 4 u.a. zu Graziano Rossi – Valentinos Vater. Wesentlich bekannter und für diese Metrik relevanter sind dann aber Namen wie Giacomo Agostini, Luigi Taveri und Phil Read. Eine besondere Bedeutung haben hier auch Mike Hailwood und  Jean-Pierre Beltoise, denn die fuhren nicht nur Motorradrennen, sondern auch Formel 1 und standen in beiden Fällen auf dem Podium. Dadurch kommen ab Rossi-Zahl 5 auch Formel-1 Fahrer ins Spiel.

Mit Rossi-Zahl 5 hat man die Motorradfahrer weitestgehend alle erreicht, da tauchen nun die Namen der 1950er und 1960er auf, Geoff Duke, Jim Redman oder John Surtees (der einzige Weltmeister auf zwei und vier Rädern). Interessanter sind da dann Namen wie Jackie Stewart, Emerson Fittipaldi, Clay Regazzoni oder Carlos Reutemann. Über diese kommt nun die gesamte F1-Prominenz der 60er bis 80er dazu.

Rossi-Zahl 6 ist dementsprechend in erster Linie eine Sammlung der größten Namen der Formel 1: Nigel Mansell, Alain Prost, Nelson Piquet, Niki Lauda, Stirling Moss, Jim Clark und Graham Hill finden sich da neben vielen anderen. Bei den Motorradrennfahrern ist man hingegen ziemlich durch, die Weltmeister der frühen 1950er finden sich hier, Namen wie Nello Pagani, Leslie Graham oder Rupert Hollaus.

Bei Rossi-Zahl 7 folgt nun quasi die gesamte restliche Formel 1 mit Namen wie Michael Schumacher, Ayrton Senna, Keke Rosberg oder Hans-Joachim Stuck. Mit Rossi-Zahl 8 hat man dann auch die Formel 1 abgegrast, da tauchen nun Namen der frühen 2000er auf, Fernando Alonso, Kimi Räikkönen. Von dort kommt man mit Rossi-Zahlen 9 und 10 bei der aktuellen F1 an mit Sebastian Vettel, Max Verstappen, Nico Rosberg oder Charles Leclerc. Am anderen Ende der F1-Geschichte landet man hier bei Luigi Fagioli, Luigi Villoresi oder Alberto Ascari, der Weltmeister von 1952 und 1953.

Alberto Ascari sorgt auch dafür, dass es überhaupt Fahrer mit höheren Rossi-Zahlen als 10 gibt, denn er stand mit zwei Amerikanern auf dem Podest, die ihrerseits bei den 500 Meilen von Indianapolis fuhren. Die zählten bis inklusive 1959 zur Formel-1 WM, waren aber eine rein amerikanische Angelegenheit. Die Europäer starteten dort nicht, nur einige Amerikaner gingen auch bei europäischen Rennen an den Start. So ergibt sich ausgehend von Alberto Ascari ein Teilgraph von 14 Fahrern, die in Indianapolis auf dem Podest standen.

Die Daten sind mit Stand vom 26.9.2024, d.h. bis Jahresende kann sich da noch was ändern: Aktive Rennfahrer, die noch nie auf einem Podium standen und dann erstmals einen Podestplatz erreichen, kommen neu in die Auswertung hinzu – die hatten vorher keine Rossi-Zahl. Rennfahrer, die schon eine Rossi-Zahl haben, können diese nur noch verkleinern: So hat beispielsweise Pedro Acosta, der in diesem Jahr seine erste Saison in der MotoGP fährt und da auch schon auf dem Podium stand (und in der Moto3 und Moto2 Weltmeister war) momentan die Rossi-Zahl 3: Er stand z.B. mit Sam Lowes auf dem Podest, der seinerseits mit Álex Rins auf dem Podium war. Und Álex Rins war mit Valentino Rossi bei der Siegerehrung. Wenn nun aber z.B. Pedro Acosta und Álex Rins gemeinsam auf dem Podium stehen würden, würde Pedro Acosta dann die Rossi-Zahl 2 erreichen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass er zusammen mit Marc Márquez auf dem Siegertreppchen landet, das hätte das gleiche Ergebnis, denn Marc hat auch die Rossi-Zahl 1. Konsequenterweise würde diese Veränderung dann auch sämtliche Fahrer betreffen, die aktuell über einen Pfad mit Pedro Acosta mit Valentino Rossi verbunden sind. Das beträfe so einige Fahrer, die aktuell in der Moto3 und Moto2 aktiv sind. Ebenso könnten solche Fahrer noch hochgestuft werden, selbst wenn sie gar nicht mehr aktiv sind, eben weil sich durch neue Ergebnisse und neue Podiumskonstellationen neue kürzeste Pfade ergeben können.

Das ganze war nur mal eine kleine Fingerübung, um programmiermäßig in der Übung zu bleiben und erlaubte mir nebenbei mal wieder ausführlich über völlig irrelevanten Statistik-Blödsinn zu schreiben 🙂 Man könnte in ähnlicher Form eine Metrik ausgehend von Mike Hailwood bauen, da sähe das Ergebnis ähnlich aus. Oder ausgehend von den Indy-Fahrern, dann wäre der Graph etwas tiefer. Oder man definiert sich eine andere Metrik und nimmt nur Fahrer rein, die auch Rennen gewonnen haben und dabei gegen andere Fahrer an den Start gingen oder was auch immer. Da kann man jetzt lustige Spielereien machen. Am Ende wird das Ergebnis gleich sein: Der Großteil des Fahrerfeldes wird über 4-6 Schritte erreichbar sein.

 

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