Kategorien

Archiv

Kalender

September 2024
M D M D F S S
 1
2345678
9101112131415
16171819202122
23242526272829
30  

Urlaub Tag 9 3/4

16. September 2024, 22:35 Uhr von Uwe

Im letzten Eintrag hatte ich schon erwähnt, wie ich mitten am Mittag in einen minimal verspäteten ICE gestiegen war, der kurzfristig von der linken Bahnsteigkante zur rechten Bahnsteigkante umgeleitet worden war, weil ein verspäteter Eurostar aus irgendwo in Benelux ungefähr eine Stunde zu spät kam und im Kölner Hauptbahnhof dann einfach mal die Bahnsteige ausgingen. Die Fahrt über die Stadt der Papstboutique und vorbei an der Schwebebahn und über Dortmund weiter nach Münster verlief ansonsten völlig ereignislos. Und schon war ich in Münster (Akkusativ, nicht Dativ, der war erst am Folgetag dran) angekommen.

Dort empfing mich beim Aussteigen eine Wand von überhitzter Luft, der Hochsommer war in Hochform. Ich schlenderte also gemütlichen Fußes zunächst mal in den nächstbesten Bahnhofsshop zwecks Erwerbs in Plasteflaschen abgefüllter Erfrischungsflüssigkeiten. Nachdem das erfolgreich (und diesmal ohne verpeilte Leute mit ohne Kleingeld vor mir hier) erledigt war, zuckelte ich nun mit meinem Koffer ins Hotel. Jenes befand sich direkt gegenüber vom Bahnhof auf der anderen Straßenseite.

Das Hotel brüstet sich mit 4 komma und Sternen, machte auch einen schön plüschigen Eindruck, war aber eher was fürs ältere Publikum. Ich hatte ein Zimmer am Ende des Ganges (nicht der in Indien, der auf dem dritten Stock), die Tür hat keine moderne Chipkarte, sondern so ganz klassisch einen Schlüssel mit ganz schwerem Blechanhängsel dran. Nachteil des Gangendes: Das WLAN reichte nicht bis dahin, so dass ich in der Folge mal eben mein Monatsvolumen an Daten in zwei Tagen verballerte, weil mein Handy mir zwar sagte ich sei im WLAN, aber es schaltete dann aufgrund des schlechten Empfangs doch immer wieder um.

Die Klimaanlage war in dem Moment aber sowieso viel wichtiger, so dass ich den Rest des Nachmittags damit verbrachte, anderen beim Pedalieren in Spanien zuzuschauen und die ganzen Unterlagen zu studieren, die mir beim Check-In in die Hand gedrückt worden waren. So gehörte zu meinem Aufenthalt ein Gutschein für eine Stadtführung, eine Reservierung für ein Drei-Gänge-Menü im Hotelrestaurant (aber nicht etwa das Menü selbst) und eine Reservierung für ein Leihfahrrad. Das war mir bei der Buchung alles gar nicht aufgefallen, da gabs nur ein Sonderangebot „Münster entdecken“ für „kostet weniger als normale Übernachtungen gekostet hätte“, und nur deswegen hatte ich da zugegriffen.

Ohne Mampf kein Kampf

Am nächsten Morgen tappste ich dann also einigermaßen verstrahlt zum Frühstück und wurde dort dann prompt auch vorm ersten Kaffee richtig wach: Da stand nämlich ein Schild von wegen „Bitte warten, sie werden platziert“. Da hatte ich sofort Flashbacks von einem Urlaub von 1986, wo es beim Mittagessen auch wahnsinnig hektisch wurde und man nicht mal in Ruhe aufessen konnte, als schon die nächsten Leute drängelten – so erzählen es meine Eltern jedenfalls, ich hab da nur noch grobe Erinnerungen dran mit so kleinen Abreißzettelchen wie in der Schulspeisung. Die Dame da am Empfang wunderte sich denn auch warum ich grade dieses Schild fotografierte… Ich wurde also jedenfalls auf einem schönen kleinen Tisch für mich platziert, der gemeinerweise der Futtertheke diametral gegenüber lag und somit den Weg zur Kaffeemaschine unnötig verlängerte.

Ich machte dann also den Morgenmarsch vom Tisch zum Buffet und zurück (Brötchen und so), dann nochmal hin und zurück (Würstchen und Rührei) und nochmal (Kaffee und Orangensaft). Vor der einzigen vollautomatischen Kaffeemaschine staute es sich, zum Glück standen daneben ein paar fertige Kannen Filterkaffee, also tat ich das was jeder normal bekloppte Mensch tun würde und schnappte mir unter verwunderten Blicken umstehender Hotelgäste die Kaffeekanne. Doof darf man sein, aber Ideen muss man haben. Und wer sich morgens zwischen mich und meinen Kaffee stellt lebt ohnehin gefährlich.

Zwei Brötchen und drei Tassen Kaffee später war ich dann bereit eine Expedition zum Ende des Ganges zu machen, denn es stand ja im Anschluss eine längere Exkursion mitsamt Stadtführung an, und sowas muss ja gut vorbereitet werden, indem man zunächst unnötigen Ballast abwirft. Mit ausreichend nassen Mineralen im Rucksack und Sonnenbrille auf der Nase ging es nun also in die Stadt.

Münster ist Studentenstadt und Radfahrerstadt. Insofern fühlte ich mich ganz wie daheim, denn in Erlangen ist das ja auch nicht viel anders. Nur dass in Münster die gesamte Innenstadt gefühlt aus Kopfsteinpflaster besteht. Dafür sind die Gebäude weniger quadriert aufgestellt, weil die Stadtgeschichte ja eine ganz andere ist als in Erlangen. Aber davon lernte ich dann in der Stadtführung jede Menge unwichtiges Zeug, wovon ich den größten Teil schon wieder vergessen hatte als die Stadtführung vorbei war.

Aber der Reihe nach: Ich hatte bis zum Beginn der Führung noch viel Zeit – so riesengroß ist das Stadtzentrum von Münster dann ja auch nicht, so hatte ich viel Zeit mir schon mal die bekannte Lambertikirche mit den bekannten Käfigen anzuschauen, ebenso das Rathaus, und die ganzen Bogengänge sowie abschließenderweise ein Spielwarenfachgeschäft mit einer großen Auswahl an Klemmbausteinen einer bekannten dänischen Marke mit schlechten Sets zu hohen Preisen – zwei oder drei nette Sets waren dabei, ich hatte aber keinen Platz im Koffer und Rabatt gegenüber Internet gabs auch keinen. Nebenbei bin ich noch durch die Abteilung mit Brettspielen und Kartenspielen und sowas, da gab es ein paar Sachen die möglicherweise zukünftig mal für einen Spieleabend interessant sind – nur Munchkin gabs mal gar nicht… Sauerei sowas.

Gut geführte Stadtgeschichten

Pünktlich wie die Eisenbahn des 19. Jahrhunderts stand ich dann auf dem Platz des Westfälischen Friedens hinterm Rathaus, denn da sollte die Stadtführung beginnen. Die begann dann auch entsprechend pünktlich mit einer kleinen Gruppe von insgesamt sieben Leuten, allesamt kurz vor oder mitten im Rentenalter – und eben ich. Darunter waren zwei Ehepaare aus entweder dem Siegerland oder dem Sauerland, so genau hab ich es mir nicht gemerkt, die Unterscheidung scheint aber ähnlich wichtig wie zwischen Bayern und Franken. Welche relevanten Unterschiede es dort gibt blieb im Dunkeln, ich biss mir lieber auf die Zunge als „die einen sind Sieger, die anderen sind sauer“ zu sagen, das wäre möglicherweise nicht gut angekommen.

Zunächst ging es aber erst einmal um Kunst am Bau unter dem Motto „was will uns der Künstler mit diesen Blechbänken sagen“? Danach wurde langatmig weitschweifend erklärt, warum der Platz so heißt wie er heißt, und ob da nun anno 1618 in Prag gewisse Leute aufm Misthaufen landeten oder auch nicht, nachdem sie ausm Fenster gestoßen worden waren. Die Verhandlungen zur Beendigung des 30jährigen Krieges in Münster und Osnabrück zogen sich über mehrere Jahre hin, weil ja jeder seinen Teil vom Kuchen haben wollte – genutzt hat es nix wie wir wissen, 150 Jahre später kam so ein zu kurz geratener Franzmann und marschierte Richtung Moskau.

Interessanter waren nun die Erklärungen zur Stadtgeschichte, denn in Münster steht in Münster, was wiederum der Stadt den Namen gab, denn der Name kommt von monastere, was wie jeder olle Lateiner weiß ja nix anderes heißt als Münster. Es trug sich nämlich im Jahre 793 (oder so in dem Dreh) zu, dass Karl der Große (damals noch nicht Kaiser von dingensda) einen Liudger dorthin beorderte um da das Wort Gottes zu verkündigen und zu seinen Ehren ein groß Steingebäude aufzubauen (oder so in der Art).

Die kirchlichen Vertreter waren auch immer wieder im Streit mit den Bürgern, was die Stadtgeschichte nachhaltig prägte: Man sperrte sich gegenseitig ein und aus, man bombardierte und belagerte sich, das Rathaus zeigte dem Kirchenvertreter im Dom die lang Nase, und so weiter. Die ganzen Details kann man sicher bei Tante Wiki nachlesen. Weiter ging es unter Zeitdruck im Dom, denn da war um 12 Uhr mittags nicht nur High Noon und Messe, sondern auch großes Kino mit astronomischer Uhr. Da kreisen dann nämlich die in Köln herumgeisternden drei unheiligen Könige durch die Tür, verneigen sich vor Jungfrau Maria und verdünnisieren sich dann wieder. Und dazu wird „In Dulci Jubilo“ abgespielt. Die astronomische Uhr ist ansonsten durchaus ein großer Hingucker mit Sonne, Mond und Sternen. Wie in Prag, nur eben im Dom selbst und nicht von außen sichtbar.

Danach ging es weiter in Richtung Aa (die haben da echt komische Namen für ihre Fließgewässer) und zur nächsten Kirche. der sogenannten Überwasserkirche. Warum die so heißt hab ich schon wieder vergessen, interessanter war die Erzählung dass dies früher eine übel beleumdete Gegend gewesen sei, wo die Leute ihre eigene Version von Rotwelsch entwickelten, die heute noch den örtlichen Dialekt prägt. Nun war auch Zeit zur Erzählung wie das nun mit den Wiedertäufern war, die als Bilderstürmer begannen und dann zu Tyrannen wurden, die der Vielweiberei nachgingen und schließlich im Käfig am Kirchturm ihr Ende fanden – die Revolution fraß schon ihre Kinder, lange bevor Robespierre einen Kopf kürzer gemacht wurde.

An dieser Stelle war die Stadtführung beendet, den Rest des Nachmittags verbrachte ich nun im freien Stadtbummel. Der führte mich zunächst zu einem aus dem Fernsehen bekannten Antiquariat, wo der Herr Wilsberg ermittelt. Von dort aus lief ich nun weiter in westlicher Richtung bis zum Schlossplatz. Mein Ziel wäre das Schloss gewesen, allerdings war da kein Durchkommen, denn auf dem Schlossplatz wurde für ein Springreitturnier aufgebaut – „Turnier der Sieger“ – selten dämlicher Name, denn am Ende kann es ja nur einen Sieger geben. Also ging es nun weiter in gemütlichem Tempo in südlicher Richtung in großem Bogen um die Innenstadt herum.

Da kann man wunderbar unter den Linden promenieren, denn auf der ehemaligen Stadtbefestigung wurde dort eine Fahrradrennstrecke angelegt, die links und rechts Fußwege hat. Dort war auch ordentlich Betrieb, obwohl noch Semesterferien waren – die Eingeborenen flüchten immer zum Beginn des Wintersemesters wenn 60.000 Studenten in die Stadt einfallen und die Ersties dann erst einmal Radfahren üben müssen… Gegen 14 Uhr und somit viel zu früh am Nachmittag war ich schon wieder am Bahnhof angekommen und überlegte, was ich nun noch machen wöllte: Auf das Leihfahrrad hatte ich angesichts der höllischen Temperaturen keinen Bock, da hätte ich mir nur die Arme verbrannt. Das Dreigangmenü sprach mich auch nicht an, da sprachen gleich drei Gründe dagegen: Die Vorspeise, der Hauptgang und die Nachspeise, mal ganz zu schweigen vom Preis. Ich bin halt nicht der Typ für übersichtlich befüllte Teller mit hochtrabenden franzmännischen Bezeichnungen, ich halte es da eher mit Bud Spencer – herzhaft und davon viel, oder auch „ohne Knoblauch und nicht zu scharf“.

In diesem Sinne stand mir jetzt der Sinn nach etwas, was ich tatsächlich nur im Urlaub mache, nämlich ein Besuch im Restaurant zur goldenen Möwe bzw. bei deren Konkurrenz vom Burgerkönig. Und da gab es diesmal sogar eine Premiere, denn ich bestellte mein geplatztes Huhn und die frittierten Kartoffelstreifen nicht an der Theke, sondern an einem überdimensionalen Patschscreen. Der spuckt dann einen Zettel mit einer Nummer aus – wie beim Amt – und dann wartet man drauf, dass man sein Futter entgegennehmen kann. Derart gestärkt schleppte ich mich und meine müden Knochen nun wieder zum Ende des Ganges (beim dritten Mal wird der Witz irgendwie auch nicht komischer) und flüchtete somit ins klimatisierte Zimmer mit dem schlechten Internet.

Rückfahrt

Damit war der Urlaub dann auch vorbei. Am nächsten Morgen war es glatt deutlich kühler, es hatte auch geregnet, so dass ich mir sogar die langen Hosenbeine umschnallte. Das Frühstück funktionierte wie am Vortag, allerdings mit kürzerem Weg zur Kaffeemaschine und mit weniger Kaffee, da ich ja dann auf große Fahrt gehen wollte.

Den Reiseplan der DB hatte ich von vornherein ignoriert, denn mit 10 Minuten Umsteigezeit in Essen in den ICE nach Nürnberg war mir das alles zu unsicher. Prompt bekam ich beim Frühstück die Nachricht aufs Handy dass der Zug nach Essen (und weiter Richtung Mönchengladbach oder so) 10 Minuten Verspätung haben sollte. Da hätte ich also schon alt ausgesehen. Stattdessen fuhr ich eine Stunde eher ab, und während ich in einem quasi leeren Regionalzug Richtung Ruhrpott bummelte (durch so weltbewegend wichtige Orte wie Recklinghausen, Wanne-Eickel und Gelsenkirchen) und schließlich in Essen ankam, kam eine Nachricht auf dem Handy an, dass der eigentlich geplante Zug mal eben ganz ausfiel. Tscha.

Stattdessen stand ich nun eine reichliche halbe Stunde am Essener Hauptbahnhof in der Gegend herum, um dann pünktlich in den ICE Richtung München (über Düsseldorf, Köln-Deutz, Frankfurt, Würzburg und Nürnberg) einzusteigen. An die Fahrt kann ich mich gar nicht mehr wirklich erinnern, ich glaub den größten Teil hab ich verpennt, immerhin kannte ich ja diese ganzen Strecken bereits, außerdem war der Zug gut besucht. Das kühle Wetter vom Morgen wich ab Frankfurt einer brütenden Sommerhitze, beim Aussteigen in Nürnberg lief man wieder mal gegen eine Wand aus heißer Luft.

Trotzdem musste ich flotten Fußes umsteigen, weil der Zug von Nürnberg nach Erlangen 10 Minuten nach der Ankunft des ICE abfahren sollte – und das auch tat, und ich saß drin. Lacher des Tages war der Spruch der Frau mir gegenüber auf die Frage des Schaffners ob das ihre Kinder seien „Ja, das behaupten sie jedenfalls immer.“ Und so war ich dann eine Busfahrt später am späten Nachmittag wieder daheim angekommen. Da musste man dann auch gleich erstmal noch in den Supermarkt hüpfen weil wegen Wochenende und Kühlschrank leer und so. Und dann war Wochenende – und am Montag begann wieder der mäßig spannende Alltag.

Fotos entstanden in den Urlaubsreisen natürlich auch, die muss ich aber noch sichten und sortieren und machen und tun. Das kommt dann auch noch demnächst in diesem Affentheater.

 

Einen Kommentar schreiben