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Album der Woche

12. September 2024, 23:01 Uhr von Uwe

Plötzlich ist Herbst. Also so der Anfang vom Herbst. Diese bescheuerte Jahreszeit, wo man bei 30 Grad im Schatten auf der Terrasse sitzen und frisch gekauften Lebkuchen mampfen kann. Im Herbst der Karriere ist auch die Band angekommen um die es heute geht. Grund genug für einen Rückblick.

Die Band der Woche begann ihren Siegeszug Anfang der 70er Jahre, versackte 10 Jahre später im Drogensumpf, feierte Ende des Jahrzehnts eine triumphale Auferstehung und war Anfang der 90er Jahre auf dem Höhepunkt der Popularität angekommen. Seitdem ist nicht mehr allzuviel passiert, und die große Abschiedstournee musste nun aus gesundheitlichen Gründen abgesagt werden. Da Alice Cooper nach wie vor fit wie ein Turnschuh ist, kann er nicht gemeint sein. Richtig, denn es geht um Aerosmith.

Boston’s Finest waren in dieser Reihe schon mehrfach Thema, und bei der enormen Diskographie gibt es auch in diesem Jahr Alben, die mehr oder minder runden Geburtstag feiern.

Beginnen wir mit dem ’74er „Get Your Wings„. Das im Vorjahr erschienene Debütalbum war weitgehend erfolglos geblieben, die Band war aber quasi das gesamte Jahr auf Tour und erspielte sich so ihre Fans. Mit der gesammelten Erfahrung aus zahllosen Liveauftritten und mit Hilfe eines geeigneten Produzenten, der die musikalischen Vorlieben der Band teilte (Blues mit fetter Elektrifizierung, wie es britische Bands wie die Yardbirds um Eric Clapton oder Jimmy Page vorgemacht hatten), ging es nun an die Aufnahme des Zweitlings.

Heraus kam zwar nicht das Überwerk, was die Band in die Hall Of Fame transportieren würde – das kam dann mit dem dritten Album „Toys In The Attic“, aber die Scheibe war in allen Belangen stärker als das Debüt. Sänger Steven Tyler fand zu seinem typischen Gesang und profilierte sich beim Texten, während die Gitarristen Joe Perry und Brad Whitford mussten in den sauren Apfel beißen mussten dass Studioprofis einige Soli einspielten, die sie einfach (noch) nicht spielen konnten.

Meine persönlichen Favoriten sind der Opener Same Old Song And Dance und das folgende Lord Of The Thighs (in erster Linie wegen des Textes). Auf der B-Seite sticht der Train Kept A-Rollin‘ heraus, ein alter Bluessong, den zuvor schon die Yardbirds durch den Fleischwolf gedreht hatten. Vom textlichen Standpunkt her ist noch S.O.S. (Too Bad) heraus, wobei die Abkürzung hier für „same old shit“ stehen soll…

Fazit: Zwei-drei Klassiker und ein ansonsten durchgehend gutklassiges Album, was mindestens zeigte, dass da eine Band vor dem ganz großen Durchbruch stand. Und der kam ja dann ein Jahr später auch.

Fünf Jahre später folgte hingegen der große Abbruch, als Gitarrist Joe Perry mitten in den Aufnahmen zu „Night In The Ruts“ aus der Band ausstieg. Zu diesem Zeitpunkt war die Truppe einer der angesagtesten Stadium-Acts der Vereinigten Staaten, allerdings hatte das Rockstarleben mit allerlei Substanzen und aufgepusteten Egos dafür gesorgt, dass man als Band nicht mehr miteinander klarkam und in kreativer Hinsicht nicht mehr viel auf die Reihe bekam. Das spiegelte sich in sinkenden Verkaufszahlen wieder, so dass das Management Druck auf die Band ausübte, was natürlich die Situation nicht verbesserte. Sänger Steven Tyler hatte eine Schreibblockade, das Budget für die Aufnahmen war verbraucht ohne dass ein Album herausgekommen wäre, man ging auf Tour um Geld zu verdienen und schließlich implodierte alles mehr oder weniger. Das Album ist ein recht solides Bluesrock-Album, aber nichts, was die Band vorher nicht schon in besserer Art eingespielt hatte.

Nochmal zehn Jahre später sah das wieder ganz anders aus. Joe Perry war Mitte der 80er zurückgekehrt, die Drogen gehörten der Vergangenheit an, das 87’er Album „Permanent Vacation“ war die große kommerzielle Wiederauferstehung, und nun legte man mit „Pump“ noch eins drauf.

Die Band hatte einen kreativen Lauf und schrieb weit mehr Material als schlußendlich auf dem Album landete, konnte sich also ganz darauf konzentrieren, die besten Songs auf die Scheibe zu packen. Textlich geht es dabei einmal mehr um Sleaze und Sex, was ohnehin immer ein Markenzeichen der Band bzw. von Steven Tylers Texten war – als Beispiel sei Young Lust oder Love In An Elevator genannt (Steven Tyler meinte dazu wohl lapidar, er müsse das nachholen, was er in den 70ern nicht gemacht hatte, als er Drogen nahm statt Sex zu haben…). Der Überhit Janie’s Got A Gun hingegen hat einen verdammt ernsten Text, den man auch erst einmal verdauen muss – andererseits gewann die Band damit ihren ersten Grammy.

Musikalisch gab es wenig Überraschungen, hart rockender Blues in kommerzieller Verpackung, wie kaum anders zu erwarten. Hier und da scheint Glam und Hair Metal durch (hey, es war 1989, da war das angesagt). Das ganze wurde natürlich exzellent produziert und am Ende kamen neben vier Hitsingles – neben den schon erwähnten Janie’s Got A Gun und Love In An Elevator waren das noch The Other Side und die Halbballade What It Takes – noch diverse starke Albumtracks bei raus. Songs wie Voodoo Medicine Man oder Monkey On My Back sind aber auch allerbester Hardrock, wobei mein Favorit aus der Ecke die Nummer Don’t Get Mad, Get Even ist.

Das Album verkaufte sich völlig zu Recht wie geschnitten Brot und sorgte dafür, dass Aerosmith Anfang der 90er mit „Get A Grip“ auf dem kommerziellen Zenit ankamen, mit MTV Heavy Rotation und allem was dazugehört.

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