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Urlaub Tag 6 oder 8

7. September 2024, 12:08 Uhr von Uwe

Je nach Zählweise (besteht ein Wochenende nun aus zwei Urlaubstagen oder nicht?) sind wir nun beim Montag der zweiten Urlaubswoche angekommen. Nach einer kurzen Nacht (der übergroße griechische Grillteller musste verdaut werden) sollte es gegen 9 Uhr weitergehen. Auf dem Plan stand eine ausgedehnte Bahnfahrt Richtung Westen, Ziel des Tages war die Modestadt Düsseldorf.

Diese Fahrt war von der Planung her die kritischste des ganzen Urlaubs, denn ich musste dreimal umsteigen und hatte einmal 20 und einmal nur 10 Minuten Zeit zum Umsteigen. Erfreulicherweise fuhr ich dabei aber auch über ein paar Strecken, die ich noch nicht bereist hatte und konnte so auf meiner Deutschlandkarte ein paar neue Stellen einfärben.

Bevor es ans Losfahren ging, musste aber noch der Koffer umgepackt werden, da brauchte es nämlich Platz für Streuselkuchen und Geburtstagsgeschenke. Ich bin ja inzwischen in einem Alter, wo man sich seine teuren Spielzeuge selber kaufen kann, stattdessen gab es von meiner Mutter also was ausgesprochen praktisches, nämlich zwei nagelneue Bettlaken, in Originalverpackung. Selbst das Preisschild lag noch drin, und da stand dann „VEB Planet Wäschekonfektion Eppendorf“ drauf, gefolgt von „Produktion: 1980“ und „EVP 14, 70 M“. Ich erbte damit quasi Erbstücke, die meine Mutter bereits von ihrer Mutter geerbt hatte. Unschlagbar preisgünstig, muss jetzt nur einen Vollwaschgang mitmachen und dann kann ich wieder bestens schlafen.

Zu schlafen gab es unterwegs hingegen eher wenig, da ich bereits nach den ersten 40 Minuten umsteigen musste. In Magdeburg fuhr der Anschluss erfreulicherweise direkt auf der anderen Bahnsteigseite ab, ich musste also nur gemütlich einmal quer über den Bahnsteig marschieren und mir dann meinen reservierten Sitzplatz im doppelt bestockten Intercity suchen. Dieser Platz befand sich nun im unteren Stockwerk, was mich aber nicht viel störte, außer Feldern, Wiesen und Windrädern gibt es ja auf der Fahrt Richtung Braunschweig und Hannover nicht wirklich viel zu sehen.

Der Zug war absolut pünktlich in Hannover, so dass die 10 Minuten Umsteigezeit auch hier problemlos reichten – was ich tatsächlich nicht erwartet hatte. Der Anschlusszug fuhr auch hier direkt am gegenüberliegenden Gleis ab, allerdings musste ich einige hundert Meter auf dem Bahnsteig rumlaufen, weil die DB die erste Klasse immer ans Ende vom Zug setzt und nicht wie die Schweizer einfach mal mittendrin. Aber laufen soll ja gesund sein.

Mit Affenzahn ins Ruhrgebiet

Üblicherweise fahren die ICEs Richtung Ruhrgebiet von Hannover aus über Minden und ohne in Löhne umzusteigen Richtung Hamm und dann weiter über Dortmund und von da je nach Ziel über die Stadt der Papstboutique oder die Stadt mit der verstaubten Sonne. Manch einer behauptet da würde unterwegs auch noch in einer nichtexistenten Stadt gehalten werden.

In jener nichtexistenten Stadt fanden aber gerade Bauarbeiten an der Bahnstrecke statt, so dass der Zug großräumig umgeleitet wurde. Das war auch in den Fahrplan eingearbeitet, die Fahrt von Hannover nach Düsseldorf über u.a. Hamm, Dortmund und Duisburg sollte also schlappe vier Stunden dauern. So lange brauchte ich von Erlangen bis Berlin, inklusive Umleitung wegen Böschungsbrand.

Andererseits wurde so eine Strecke befahren, die ich noch nicht kannte und wo ich wohl so schnell auch nicht wieder vorbeikommen werde. Die Fahrt führte nun nämlich von Hannover aus in südwestliche Richtung und somit ins Weserbergland. Der Zug gurkte da also mit überschaubarem Tempo bis zur Stadt des Rattenfängers, kreuzt dort die Weser, und dann geht es weiter über die Kurstadt Bad Pyrmont immer grob in Richtung Südwesten. Die Hügel links und rechts wurden höher, die Strecke kurviger, das Tempo folgerichtig immer niedriger. Zum Blumenpflücken reichte es nicht ganz (wäre ohnehin nur gegangen, wenn man die Scheibe eingeschlagen hätte), aber viel mehr als gemütliche 90 Sachen waren nicht drin.

Eisenbahnhistorisches Highlight war dann der / das Viadukt Altenbeken. Besagter Viadukt liegt auf einer ehemals immens wichtigen Ost-West-Verbindung, nämlich der Achse Ruhrgebiet – Altenbeken – Ottbergen und von da weiter ins Mitteldeutsche Industrierevier (Großraum Halle/Leipzig/Dessau) bzw am Nordharz (Vienenburg/Halberstadt) vorbei Richtung Berlin. Vor dem Zweiten Weltkrieg und der nachfolgenden Teilung waren diese Strecken im Gütertransport von riesiger Bedeutung, während die weiter nördlich verlaufende Strecke über Hannover – Braunschweig – Magdeburg hauptsächlich dem schnelleren Personenverkehr diente bzw. schlicht nicht genug Kapazität für zusätzlichen Güterverkehr hatte (das Problem der Netzüberlastung ist ja keine neue Erfindung, das hatte man auch vor 100 Jahren schon, nur hat man nix draus gelernt).

Man darf in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass es östlich von Berlin damals noch weiterging bis nach Königsberg bzw. Breslau und ins Schlesische Industrierevier. Die Hauptverkehrsströme verliefen damals entsprechend in Ost-West-Richtung, infolge der Teilung Deutschlands verschob sich das in Nord-Süd-Richtung, was viele ehemals wichtige Strecken bedeutungslos werden lies (sofern sie nicht eh durch die innerdeutsche Grenze zerschnitten wurden), andere Strecken wie die Nord-Süd-Strecke Hannover-Göttingen-Kassel-Bebra-Fulda hingegen wurden quasi über Nacht zu Flaschenhälsen.

Während ich also über diese (für mich wahnsinnig faszinierende) Schnittmenge aus Geschichte, Geographie und Eisenbahn nachsann (die zugegebenermaßen sehr nischig ist und die meisten etwa so interessieren wird wie der Wetterbericht von vorgestern), ging es nun weiter in mehr westlicher Richtung, aus dem Hügelland hinunter nach Paderborn. Ab dort wird es weitestgehend flach, die Strecke ist besser ausgebaut und erlaubt Geschwindigkeiten bis zu 200 km/h. Diese Strecke ist nun Teil der sogenannten Mitte-Deutschland-Verbindung (vom Ruhrgebiet bis Altenbeken, dort aber nach Süden Richtung Kassel abzweigend und von dort weiter entweder über Bebra und Erfurt nach Sachsen (bzw früher weiter nach Schlesien) oder über Nordhausen nach Halle (hauptsächlich im Güterverkehr genutzt). Die Strecke hatte, ähnlich wie die weiter oben genannten Verbindungen, vor dem Krieg eine große Bedeutung, blieb aber auch im geteilten Westdeutschland wichtig, der Abschnitt Altenbeken-Kassel auch als Ausweichstrecke für die überlastete Nord-Süd-Strecke Hannover-Göttingen-Kassel diente.

Anyway, wir sausten nun also in höherem Tempo durch so weltbewegende Orte wie Lippstadt und Soest in Richtung Hamm. Zu diesem Zeitpunkt war die Ankunft in Hamm noch als pünktlich angezeigt, nur glauben wollte ich das nicht recht, denn in 10 Minuten von Soest bis Hamm ist selbst bei sportlicher Fahrweise eher nicht machbar. Wir kamen folgerichtig mit einer knappen Viertelstunde Verspätung an, und standen dann erst einmal doof in der Gegend herum. Der Zug musste hier die Fahrtrichtung wechseln, und die Strecken im Ruhrgebiet sind ja ohnehin notorisch überlastet. Als wir nach einer halben Stunde endlich weiterfuhren hatten wir entsprechend eine halbe Stunde Verspätung, die natürlich auch nicht mehr aufgeholt werden konnte. Aber da der Zug ja ab Hamm in kurzer Folge in Dortmund, Bochum, Essen, Duisburg und Düsseldorf Flughafen hält war das eh klar. Mich störte es auch nicht, ich musste in Düsseldorf noch zwei oder drei Stationen S-Bahn fahren, die fährt da aber alle paar Minuten.

Ein schönes Beispiel zur Komplexität der menschlichen Kommunikation ergab sich nun auch noch: Irgendwo in Bochum oder Essen war eine nicht ortskundige Person zugestiegen, die nach Düsseldorf wollte und offensichtlich aus dem Ausland kam und nur sehr wenig Deutsch sprach. Als der Zug in Düsseldorf Flughafen hielt fragte sich mich plötzlich „nach Düsseldorf?“ – ich dachte mir, sie will wissen ob das der Zug nach Düsseldorf sei, also antwortete ich „ja.“. Nun stellte sich aber raus, dass sie wissen wollte, ob das schon der Halt „Düsseldorf“ sei, wofür die korrekte Antwort logischerweise „nein“ gewesen wäre. Als Folge wurde ich in einem mir unverständlichem Wortschwall in (vermutlich) Russisch zugetextet… Tja, da kann ich auch nur mit den Schultern zucken.

Von Düsseldorf Hauptbahnhof ging es nun noch weiter mit der S-Bahn und abschließend noch ein paar Meter zu Fuß bis zum Medienhafen, dort hatte ich das Hotel, wo ich irgendwann kurz nach 16 Uhr eincheckte.

Modestadt Düsseldorf

Da es am nächsten Mittag schon weitergehen sollte war nun also noch eine Stadtbesichtigung angesagt. Im Medienhafen stieß ich dann auch direkt auf das erste Fotoshooting. Weiter ging es auf den Fernsehturm. Die Aussichtsplattform ist fast so hoch wie die vom Berliner Fernsehturm, dafür kostet es nur die Hälfte an Eintritt, man hat oben ein frei zugängliches Café und natürlich Blick bis zum Horizont. Da sieht man dann natürlich den Rhein, am Horizont dann Duisburg und Essen sowie in anderer Richtung Leverkusen. Die Frage „Warum gibt es Köln?“ beantwortet sich hier auch, denn auch darauf kann man von dort oben herabblicken – der Kölner Dom war auch im diesigen Dunst gut zu erkennen. Durch die Bauweise und die deutlich stärker angewinkelten Fenster im Vergleich zum Berliner Telespargel hatte ich aber auch erheblich mehr mit Höhenangst und Übelkeit zu kämpfen, so dass ich mich dann auch relativ schnell wieder auf ebenerdige Höhe begab (im Fahrstuhl, nicht im freien Fall, sollte klar sein).

Weiter ging es in nördlicher Richtung am Rheinufer. Da waren auch jede Menge Leute unterwegs, die das schöne Sommerwetter nutzten. Das ist zugegebenermaßen eine echt nette Ecke mit viel Grün und Blick auf den Rhein, nur die zahlreichen Rheinbrücken und das sonore Brummen des darüber rollenden Verkehrs stört die Idylle ein wenig.

Vorbei an Rathaus und Burgplatz lief ich nun weiter in Richtung Osten, streifte die Altstadt und stand dann zwar nicht im Wald, aber trotzdem ohne Altbier an der längsten Theke Einkaufsallee der Stadt, bzw. am Rande des Hofgartens. Von wilden sexuellen Eskapaden unter freiem Himmel war dort jedoch nix zu bemerken. An der Königsallee fährt man auch nicht Opel Kadett, sondern mindestens Porsche Cayenne, und selbst damit ist man eigentlich noch underdressed. Es sollte schon mindestens ein Ferrari sein. Da hat man dann also einen Juwelier neben dem anderen, dazwischen zahlreiche Modegeschäfte von Versace bis Dior und Luxuskaufhäuser wie Breuninger. Mittendrin ist dann noch ein Zalando-Outlet… Auf der anderen Straßenseite wechseln sich hingegen teure Hotels und Banken ab, unterbrochen von Anwaltskanzleien. Das ist schon sehr speziell.

Man flaniert da also von einem Schaufenster zum nächsten, in jedem der hochpreisigen Geschäfte steht ein unterbezahlter Security-Mensch am Eingang, der entweder grimmig guckt oder die Tür aufhält, je nachdem ob man als würdig erachtet wird. Ich begnügte mich also damit mir die Luxuschronometer im Schaufenster anzugucken. Da sind dann also Armbanduhren für vier- und teilweise fünfstellige Preise ausgestellt – und kein einziger dieser wahllos überteuerten Bling-bling-Geräte zeigt auch nur annähernd die korrekte Uhrzeit an. Was soll ich denn mit einer Uhr, die nur zweimal am Tag die richtige Zeit anzeigt? Und was soll ich von einem Laden halten, wo jede Uhr im Schaufenster eine völlig andere wahllose Zeit anzeigt? Wer solche offensichtlichen Dinge nicht beachtet, was macht der denn im Bezug auf Verarbeitungsqualität, Beratung, Garantie und so weiter? Also nee, da bleibe ich lieber bei meiner 20 Jahre alten Vintage-Casio für 20 EUR, die zeigt wenigstens zuverlässig die Zeit an und kann außerdem nervtötend piepen.

Und zwischen all den Luxusläden hocken dann die Obdachlosen, die Bettler und alle sonstigen Gestalten, die durchs Raster gefallen sind, während auf der Straße junge Männer in gemieteten Luxuskarossen die Motoren hochdrehen lassen und so zu kompensieren, dass sie bei der Verteilung von Hirn und Schwanz zu kurz gekommen sind… Das ist alles nicht meine Welt, ich machte mich dann auch recht schnell wieder aus dem Staub und lief wieder in Richtung Hotel.

Neben dem Landtag hat man dann nicht nur einen Stein in der Hand als Souvenir von der Mauer in Berlin, sondern gleich ein komplettes Mauerstück auf eine Wiese gestellt, mit erklärender Tafel und so. Im (Medien)Hafen war dann Endstation meines Spaziergangs, da wurde auch schon wieder munter Modenschau mit Fotograf gemacht.

Den restlichen Abend verbrachte ich dann gemütlich im klimatisierten Hotelzimmer. Dort fiel mir dann in erster Linie auf, dass man von dort aus wunderbar Industriespionage betreiben könnte – man hat einen 1A-Blick in sämtliche umliegenden Gebäude, in erster Linie in Büros. Und so wirklich schlecht kann es dem Standort Deutschland nicht gehen, wenn da ein einigen Gebäuden komplette Etagen taghell beleuchtet sind, obwohl überhaupt niemand da ist – wer sollte auch nach 23 Uhr noch im Büro sein? Ein Fenster zum Hof so mit Mord und Totschlag wie bei Hitchcock gabs zum Glück nicht zu sehen, aber wenn man dort in der richtigen Ecke logiert, hat man durchaus einen super Blick über den gesamten Medienhafen und alles was da so ringsherum los ist.

Der folgende Morgen bestand aus einem wenig überzeugenden Frühstück ohne Kaffee, aber ich hatte ohnehin nicht viel vor und viel Zeit bis zur Weiterfahrt nach Köln. Nach einem vergleichsweise späten Checkout marschierte ich – in erster Linie um Zeit totzuschlagen – vom Medienhafen bis zum Hauptbahnhof, denn Laufen ist ja gesund und schweißtreibend. Ein schattiges Plätzchen mit kühlender Zugluft fand ich dann – logisch – am Bahnsteig. Da konnte man recht gemütlich sitzen (bis mich der Putztrupp aufscheuchte) und das muntere Treiben auf den Bahnsteigen beobachten. Der Düsseldorfer Hauptbahnhof zeichnet sich hierbei durch einige Kunst am Bau aus und machte in der Hinsicht einen deutlich besseren Eindruck als z.B. der Hauptbahnhof in Frankfurt.

Fazit

Die Fahrerei nach Düsseldorf hatte überraschend gut funktioniert, das Hotel war eher mittelprächtig, und die Stadt selbst – zumindest die Ecken in denen ich war – hinterließen bei mir einen eher zwiespältigen Eindruck. Da prallen spannende Welten aufeinander, die nicht wirklich harmonieren. Weiter ging es dann in Köln, aber das wird dann ein neuer Eintrag, hier hab ich jetzt schon wieder genug geschwafelt.

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