Ich hab zwar Urlaub, aber das heißt nicht, dass deswegen hier das Album der Woche fehlen darf. Und nachdem wir uns die letzten Woche viel mit der Hölle beschäftigt haben ist jetzt mal ein neues Thema drin. Nämlich die Liebe. L’amour toujours. Und wie äußert sich das? Genau, mit Knutschen, heiß und innig. Und mit Zunge. Damit sind wir dann auch um drei Ecken beim Thema und ich kann mir für die abstruse Überleitung auf die Schulter klopfen.
Die Oberknutscher von Kiss sind nämlich diese Woche dran, was schlicht und ergreifend daran liegt, dass Chefschlabberzunge Gene Simmons am kommenden Sonntag 75 Jahre alt wird. Grund genug für eine gewisse Werkschau, die sich allerdings auf das absolute Frühwerk beschränken wird, weil Kiss schon seit Ende der 70er nur noch sehr beschränkt relevante Musik gemacht haben und eigentlich seit Mitte der 90er auf Abschiedstournee waren.
Beginnen wir die Geschichte also mal beim Urknall, dem selbstbetitelten Debütalbum von 1974. Eigentlich muss man dazu gar nicht viel schreiben, weil es sowieso unverzichtbar ist. In der einzig wahren Besetzung mit Gene Simmons, Paul Stanley, Ace Frehley und Peter Criss (andere Besetzungen mögen technisch mehr draufgehabt haben, aber bei Kiss ging es nie um technische Kabinettstückchen, sondern um Rock and Roll und die fetteste Show der Welt) wurden hier zehn Songs auf zwei Schallplattenseiten gepresst, von denen nicht wenige auf sämtlichen Best Of und Greatest Hits vertreten sind und live unverzichtbar waren.
Den Auftakt macht Strutter, was direkt in die gerade genannte Liste gehört. Nächstes Highlight ist Firehouse, auf Jahrzehnte live unverzichtbar weil Gene Simmons hier Feuer spuckt. Größter Hit auf der ersten Albumseite ist natürlich Cold Gin, einer der größten Klassiker im Bandkatalog. In der zweiten Albumhälfte gibt es das verzichtbare Instrumentalstück Love Theme From Kiss, daneben aber auch ganz großes Kino in Form von Deuce und Black Diamond.
Das Album verkaufte sich initial nicht besonders, aber die Bühnenshows der Band mit Blut spucken, Feuerschlucken, Pyros und allem was kracht, leuchtet und spektakulär ist sorgten im Lauf des Folgejahres für den Durchbruch. So findet sich auch quasi das gesamte Album auf „Alive!“ wieder, was in dieser Serie schon vor Jahren besprochen wurde. Das Kunststück an diesem Debüt ist, dass die Songs eben auch ohne diesen ganzen Firlefanz funktionieren und einfach guter Rock’n’Roll bzw. Hardrock sind.
Fazit: Ein ganz hervorragender Einstieg in die Welt von Kiss und rockmusikhistorisch unheimlich bedeutsam.
Weiter geht es mit „Hotter Than Hell„, ebenfalls 1974 erschienen. Damals konnten Bands noch zwei Alben pro Jahr herausbringen, heutzutage brauchen sie dafür eher zwei Jahre und kommen dann nur mit einem Alibigrund um die Ecke, wieder auf Tour gehen zu können, weil sowieso kein Schwein mehr Platten kauft. Wundert mich aber auch nicht, ich war die Tage in einem Laden zum Gucken, da gibt es nagelneu gepresstes Vinyl für über 40 EUR… Die haben den Lack nicht nur gesoffen, sondern drin gebadet und die Badewanne inhaliert.
Aber zurück zum Thema: „Hotter Than Hell“ wird heute eher zwiespältig gesehen und ist auch klar schlechter als das Debüt. Einiges davon hängt mit den Umständen der Aufnahmen zusammen, die in Kalifornien stattfanden, während die Band ja aus New York stammt. Insbesondere die Produktion zog Kritik auf sich. Die ganz großen All-time Klassiker findet man hier auch eher weniger, und die Plattenfirma tat auch nicht wirklich viel für die Vermarktung, nämlich deutlich weniger als beim Debüt.
Das Album enthält zehn Songs, von denen sich einige durchaus auch länger in der Live-Setlist halten konnten, bis dann nach den Umbesetzungen um 1980 auch die Setlisten umgekrempelt wurden. Zu diesen Songs zählen das ruhige Goin‘ Blind oder Let Me Go, Rock’n’Roll sowie Parasite und Watchin‘ You.
Fazit: Für Kiss-Einsteiger nicht unbedingt relevant, für Ober-Kissologen natürlich trotzdem unverzichtbar. Da man heute eh alles streamt kann (nope, bei mir is nix Stream, ich kauf weiterhin physische Kopien, denn was man in der Hand hält kann man getrost nach Hause tragen, frei nach Johann Wolfgang von und zu). Ob man das Album nun haben muss, wird wohl jeder für sich entscheiden müssen, ich würde eher „Alive!“, „Destroyer“ oder „Love Gun“ den Vorzug geben.
Und damit sind wir quasi auch schon am Ende der Retrospektive angekommen. Das umstrittene „Dynasty“ von 1979 sei erwähnt, weil es den größten Band-Hit I Was Made For Loving You (oder wie Casanova sagen würde „I Was Made For Loving, But Whom?“) enthält, der aber viel zu sehr nach Disco klingt. Die diversen Machenschaften der maskenlosen 80er sind nur für Allessammler relevant, und „Sonic Boom“ von 2009 ist ein solides Spätwerk, aber weit von der musikhistorischen Relevanz der 70er-Jahre Kiss entfernt.
Weil aber bei Kiss viel über die Show ging dürfen ein paar Videoschnipsel nicht fehlen: I Was Made For Lovin‘ You, Firehouse (TV-Auftritt von 1974), Black Diamond (TV-Auftritt von 1975) – es kursieren dazu unüberschaubare Mengen von Videos auf der entsprechenden Plattform, da kann man sich wochenlang durch die Rockgeschichte wühlen.

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