Irgendwie ist es jetzt doch mal ziemlich warm geworden. Zur Abkühlung gab es grad ein Eis, und weiter geht es mit dem Album der Woche, was dieses mal ziemlich politisch ausfällt.
Ich hab eine ganze Weile überlegt, ob ich dieses Album, bzw. die Band dahinter, in dieser Reihe diskutieren will. Am Ende fiel die Entscheidung zugunsten des Albums, in erster Linie, weil es einfach bockstark ist, und zum anderen weil man eben die Kunst vom Künstler trennen muss, auch wenn das manchmal schwierig bis unmöglich scheint. Im Endeffekt geht es hier auch gar nicht um die Band insgesamt, sondern um eine konkrete Person. Es ist eigentlich eine traurige Geschichte von jemandem, der sein gesamtes Lebenswerk weggeschmissen hat.
Wenn ich jetzt schreibe, dass es um Jon Schaffer und Iced Earth geht, ist den Eingeweihten klar, was Sache ist. Für alle anderen der Kurzabriss: Jon – in meinen Augen einer der besten und stilistisch prägnantesten Rhythmusgitarristen der Welt – gründete die Band Mitte der 80er Jahre, führte sie in den für Metal sehr schwierigen 90ern durch zahllose Besetzungswechsel, bis die Band sich Ende der 90er mit Ausnahmesänger Matt Barlow und mehreren hervorragenden Alben in eine Position spielte, kurz vor dem ganz ganz großen Durchbruch zu sein. Dann kam der 11. September, der der Band letztlich das Genick brach. Matt Barlow stieg aus und ging zur Polizei, Jon machte mit Tim „Ripper“ Owens (ex-Judas Priest) weiter, das Personalkarussell rotierte wie wild (Matt Barlow kam zwischendurch auch temporär zurück) und die folgenden Alben waren auch eher mal so halbgar, da sich der textliche Fokus weg von Fantasy und Horror hin zu politischeren Themen verschob. Jon driftete politisch immer weiter in eine verschwörungstheoretische radikale Ecke und war schlussendlich am Sturm aufs Capitol im Januar 2021 beteiligt. Wenige Tage später war die Band Geschichte, ebenso wie seine Kollaboration mit Hansi Kürsch unter dem Banner Demons & Wizards.
Vor 25 Jahren waren Iced Earth auf dem Höhepunkt ihrer Popularität, gerade in Europa. Und das zementierte sich im Livealbum „Alive In Athens„, welches als 3CD-Set so ziemlich das ultimative Livedokument überhaupt ist. Auf 180 Minuten gibt es hier mit insgesamt 31 Songs quasi das Best Of der Bandgeschichte, wobei insbesondere die frühen Songs durch den Gesang von Matt Barlow noch einmal unheimlich gewinnen.
Stilistisch gibt es die Mischung aus der melodischen Seite von Iron Maiden, gemixt mit komplexem Riffing von 80er-Jahre Metallica. Die Bandbreite reicht dabei vom kurz und knackig (Stand Alone) bis zu episch ausladend (Dante’s Inferno braucht halt seine reichliche Viertelstunde, Travel In Stygian, A Question Of Heaven oder The Coming Curse kratzen auch knapp an den 10 Minuten), der Rest verteilt sich irgendwo dazwischen und kommt mal getragener (Melancholy oder I Died For You), mal düster und aggressiv (Stormrider, The Path I Choose) und mal mit mehr Fokus auf Melodie als auf Riffs daher (The Hunter, Slave To The Dark). Besonders steil gehen die Fans ganz am Ende des Albums, als beim Rausschmeißer Violate kurz das Riff von Maiden’s The Trooper angespielt wird. Ebenfalls hervorzuheben ist Angels Holocaust mit seinem aus der Klassik geklauten Riff als Eröffnung, Pure Evil als Beispiel für das sehr spezielle Riffing von Jon Schaffer. Wenn man hier was zu meckern findet, dann die Tatsache, dass Burnt Offerings nicht in der Setlist auftauchte.
So bleibt also von dieser Band in erster Linie dieses Livealbum als überragendes musikalisches Vermächtnis, zusammen mit der Frage: Was hätte sein können?

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